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Donnerstag, 28. März 2024
   
 

Der Datenmensch

Freiheit & und Selbstbestimmung in der digitalen Welt

In der digitalen Welt lässt sich von jedem Menschen innerhalb kürzester Zeit ein umfassendes Datenprofil erzeugen. Virtuelle und reale Informationen vermischen sich, sodass das Verhalten des Einzelnen und damit der ganzen Gesellschaft in allen Lebensbereichen vorhersehbar und steuerbar wird. Wir sind Datenmenschen geworden – aber was bedeutet das?

Beim 20. Berliner Kolloquium der Daimler und Benz Stiftung diskutierten namhafte Experten über die Bedeutung dieser Entwicklungen für das Individuum und unsere Gesellschaft. Wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltung war der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Alexander Roßnagel.

Was verstehen Sie unter dem Begriff „Datenmensch“?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Das Phänomen „Datenmensch“ birgt einen Zwiespalt. Der Datenschatten stellt die digitale Verdoppelung eines Menschen dar. Er kann einerseits sehr hilfreich sein, aber der Schatten verfolgt uns auch. Alles, was einen Menschen in seiner Individualität ausmacht, ist heute auch in Bits und Bytes verfügbar.

Was bedeutet das konkret für unsere Gesellschaft, für unsere Freiheit und Selbstbestimmung?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:

„Wissen ist Macht“ und derjenige, der viel über andere weiß, besitzt Macht. Unternehmen wissen heute mehr über die Bevölkerung als Geheimdienste. Sie kennen die Gewohnheiten, Einstellungen und Vorlieben des Einzelnen und wissen auch über seine Kommunikation, seine Beziehungen, seine Verflechtungen mit anderen und Gruppenbildungen Bescheid. Kurz gesagt: Es findet eine Machtzusammenballung bei Unternehmen in Bezug auf Wissen über gesellschaftliche Strukturen statt. Durch diese Wissensmacht sind sie in der Lage, Menschen zu kontrollieren, zu unterdrücken und sogar – durch die Preisgabe peinlicher Informationen – in den Freitod zu treiben. In unserem Staat muss große gesellschaftliche Macht jedoch grundsätzlich demokratisch legitimiert, gesetzlich normiert, begrenzt und kontrolliert werden.

Wie bewerten Sie den Wissensstand zum Thema Datenschutz innerhalb der Gesellschaft? Ist er zu gering oder ist es den Menschen nicht wichtig?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Den Wissensstand in der Gesellschaft halte ich nicht für zu niedrig, den meisten Menschen ist die Thematik zumindest grob bekannt. Problematischer ist vielmehr das Paradoxon dahinter: Obwohl man um die Gefahren weiß, nutzt man dennoch alle aktuellen Vorzüge der Internetdienste, die sich mit Daten bezahlen lassen. Die Risiken werden zugunsten eines unmittelbaren Vorteils schlichtweg ausgeblendet. Künftige Nachteile liegen gefühlt weit in der Zukunft und wirken im Augenblick der Nutzung daher abstrakt.

Wo sehen Sie in diesem Zusammenhang die größte Gefahr?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Das ist das entstehende Gefühl des Überwachtseins. Das wurde auch bereits vom Bundesverfassungsgericht formuliert. Wenn der Einzelne damit rechnen muss, bei einer Veranstaltung registriert und überwacht zu werden, wird er möglicherweise von einer Teilnahme absehen. Er wird also aus Angst davon abgehalten, seine Grundrechte in Anspruch zu nehmen. Durch Datenverarbeitung entsteht so ein Konformitätsdruck. Überträgt man die Problematik auf Wahlen, kann man abschätzen, wie wichtig es für die Freiheit ist, nicht elektronisch registriert zu werden.

Welche Unternehmen sind heute die Herrscher über unsere Daten?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Das sind vor allem die Internet-Konzerne wie Facebook, Amazon, Apple oder Google.

Welche rechtlichen Einflussmöglichkeiten gibt es und wie gestalten sie sich derzeit?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Inzwischen ist die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung auf den Weg gebracht. Sie verbessert das Datenschutzniveau zwar insgesamt auf europäischer Ebene, für Deutschland bringt sie jedoch erhebliche Nachteile mit sich. Hochumstritten war während des Gesetzgebungsprozesses die Kontroverse zwischen Erleichterungen für Unternehmen und dem Schutz der privaten Daten. Im Ergebnis enthält die Verordnung durch die in Brüssel zugestandenen Kompromisse letztlich zahlreiche Lücken. Viele Öffnungsklauseln erlauben zudem den Mitgliedstaaten, unterschiedliche Regelungen zu treffen. In Deutschland wird ein Kampf um die Auslegung und Ausgestaltung der Datenschutz-Grundverordnung entstehen.

Was bewerten Sie als besonders kritisch bei der europäischen Datenschutz-Grundverordnung?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Sie orientiert sich nicht am Risiko moderner Technikanwendungen. Es gelten für alle die gleichen Regelungen – ob beim Bäcker, der eine Kundenliste führt, oder bei einem Unternehmen wie Google, das über ganz andere Datenmengen und -inhalte verfügt. Darüber hinaus ist die Datenschutz-Grundverordnung zu wenig komplex: Tausenden Regelungen in Deutschland stehen nur 50 europäische gegenüber. Es gibt viele Lücken, sodass die Datenverarbeitung in Europa aus meiner Sicht unzureichend geregelt ist.

Wurden die Problematiken und Entwicklungsziele für die Europäische Datenschutz-Grundverordnung während des Gesetzgebungsprozesses interdisziplinär diskutiert?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Die unterschiedlichen Perspektiven wurden vor allem aus wirtschaftlich-juristischer Sicht beleuchtet. Die wissenschaftlich-technische Seite kam in geringerem Umfang zu Wort. Viel gravierender erscheinen mir in diesem Zusammenhang jedoch die Lobbyeinflüsse auf das offizielle Gesetzgebungsverfahren. Seit November 2015 gibt es sogar einen Dokumentarfilm, der die Problematik abbildet und das Thema Datenschutz als eine der wichtigsten Fragen unseres Jahrhunderts thematisiert: „Democracy – Im Rausch der Daten“. Über zwei Jahre lang hat der Regisseur David Bernet das offizielle Gesetzgebungsverfahren begleitet.

Wie schützen Sie Ihre persönlichen Daten?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Ich versuche mit vertretbarem Aufwand Datenschutz zu praktizieren und verschlüssele meine E-Mails, verzichte auf bestimme Chat-Programme bzw. Terminplaner und benutze eine Suchmaschine, die meine IP-Adresse nicht speichert. Allerdings bin auch ich nicht komplett frei von dem bereits angesprochenen Paradoxon. Meinen persönlichen Beitrag zum Datenschutz leiste ich vor allem über die Rechtswissenschaft.

Wie sieht Ihre Prognose für die kommenden zehn Jahre aus?
Prof. Dr. Alexander Roßnagel:
Die Informationstechnologie unterliegt einer hohen Dynamik. Es werden innerhalb kürzester Zeit weitere Erfindungen für Anwendungen auf den Markt kommen – leider immer noch geldfrei, aber datenintensiv. Wenn wir Lösungen für den Umgang mit dem Phänomen „Datenmensch“ haben wollen, müssen wir uns als Gesellschaft jetzt darüber klar werden, was wir eigentlich wollen. Denn die Unternehmen werden immer mehr Lebensbereiche erfassen und unsere persönlichen Daten für neue Dienste einsetzen, bis hin zum Gesamtbild eines Menschenlebens.

Text: Daimler und Benz Stiftung/EH
Copyright: Daimler und Benz Stiftung

 

Veröffentlicht am: 23.05.2016

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