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Donnerstag, 18. April 2024
   
 

Der chinesische Anleihenmarkt ist weiter ein sicherer Hafen

... sagt Monica Wang, Senior Portfolio Manager bei Eurizon SLJ Capital

Die überraschend schnelle und dynamische Erholung der chinesischen Wirtschaft, eine rege Emissionstätigkeit und der starke Euro haben bei Renminbi-Bonds zuletzt für ungewohnte Turbulenzen gesorgt. Doch damit habe der chinesische Anleihenmarkt keinesfalls den Status als „sicherer Hafen“ verloren, sagt Monica Wang, Senior Portfolio Manager bei Eurizon SLJ Capital.

Nach wie vor seien chinesische Investoren in Risk-off-Phasen gezwungen, in heimische Anleihen umzuschichten. Auch erwartet sie keinen Druck von der makroökonomischen Seite: Zwar habe sich die chinesische Wirtschaft v-förmig fast bis auf das Vorkrisenniveau erholt, mit der schleppenden Binnennachfrage, dem abermals aufgeflammten Konflikt mit den USA und der unsicheren Lage am Immobilienmarkt sei jedoch ein weiterer Anstieg darüber hinaus fraglich. Weitere Impulse für den chinesischen Anleihenmarkt erwartet sie vor allem von den bislang dort noch unterrepräsentierten ausländischen Investoren, die in den kommenden Jahren bis zu zwei Billionen Dollar in die Asset-Klasse pumpen könnten.

Monica, wie schätzen Sie die Lage in China derzeit ein?
Monica Wang:
Glücklicherweise sind die Zahlen zu Neuinfektionen, zu Erkrankungen insgesamt und zur Sterblichkeitsrate derzeit extrem niedrig. Das bietet China die große Chance, dass sich die Wirtschaft zeitlich vor den Ökonomien anderer Staaten erholt. Aktuell dürfte die Wirtschaftsaktivität in den meisten Sektoren wieder bei 85 bis 90 Prozent des Niveaus des Vorjahrs liegen. Ausgangspunkt für die Erholungsbewegung war das verarbeitende Gewerbe, gefolgt von einer beeindruckenden Aufholbewegung des Dienstleistungssektors, für den es besonders im Mai kräftig nach oben ging. Zuvor war der Großteil der Quarantäne-Beschränkungen gelockert worden, und die Menschen begannen wieder damit, zu reisen oder Restaurants zu besuchen. Dass wieder Geld ausgegeben wurde, hat die Erholung sicher massiv unterstützt.

Sehen wir Ihrer Ansicht nach also gerade die herbeigesehnte schnelle und kräftige v-förmige Erholung?
Monica Wang:
Der Verlauf der Erholung ist schon mit vielen Buchstaben beschrieben worden. Als das Virus noch auf China begrenzt war, sprach man zunächst von einer v-förmigen Erholung. Mit der Ausbreitung von COVID-19 auf Europa und die USA schien dann eine einem „w“ gleichende Entwicklung plausibler. Besonders gefürchtet wurde dabei eine Reinfektionswelle durch nach China einreisende Menschen. Allerdings hat die Regierung so ziemlich alle Einreisenden für 14 bis 21 Tage in von ihr beaufsichtigten Hotels unter Quarantäne gestellt, weshalb ich die Gefahr einer zweiten Welle derzeit für sehr, sehr gering halte. Deshalb erscheint uns tatsächlich das v-förmige Szenario momentan als am wahrscheinlichsten.

Wie bewerten Sie Umfang und Potenzial des Konjunkturprogramms der chinesischen Regierung?
Monica Wang:
Die Maßnahmen der Regierung zur Bewältigung der COVID-19-Krise haben einen Umfang von etwa sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was deutlich weniger als das Volumen in der großen Finanzkrise 2009 ist. Die Pakete sind zwar sicher hilfreich, reichen aber wohl nur zu einer v-förmigen Erholung und nicht zu einem Anstieg der Wirtschaftsaktivität über das Vorkrisenniveau hinaus.

Was muss die chinesische Regierung tun, um die Erholung weiter zu unterstützen?
Monica Wang:
Sie muss sich noch stärker darauf konzentrieren, den privaten Konsum weiter anzukurbeln. In dieser Hinsicht hat die Regierung aber auch schon viele richtige Maßnahmen ergriffen, die die Wirtschaft seit dem zweiten Quartal stützen. So wurden Gutscheine als Zuschüsse für den Einkauf in Supermärkten ausgegeben. In Städten wie Schanghai hat die Regierung Festivals organisiert, bei denen die Menschen wieder das Nachtleben genießen konnten und Restaurants sowie Supermärkte 24 Stunden lang geöffnet waren. Auch die in den vergangenen Jahrzehnten wegen der Störung des Straßenbilds und des stationären Einzelhandels mehr oder weniger verbotenen Straßenläden hat man unter dem Druck der Arbeitslosigkeit wieder zugelassen.

Welche Risiken sehen sie für eine weitere Erholung?
Monica Wang:
Nach einer Erholung der Wirtschaft auf das Vorkrisenniveau stehen hinter einem weiteren Anstieg der ökonomischen Aktivität eine Reihe von Fragezeichen. Zum ersten kommt es darauf an, wie sich der Export entwickeln wird. Zuletzt waren die entsprechenden Daten zwar besser als erwartet. Positiv hat sich dabei unter anderem die steigende Ausfuhr medizinischer Güter ausgewirkt. Mit Blick nach vorne ist aber noch fraglich, ob sich die Lockdown-Maßnahmen und die Wirtschaftsschwäche in Übersee nicht noch tiefer in den chinesischen Exportsektor fressen werden. Die zweite Unsicherheit für die Entwicklung im dritten und vierten Quartal ist die Immobilienwirtschaft, die einer der wichtigsten Bereiche in China ist. Hier stellt sich die Frage, ob die Erholung nur den aufgelösten Nachfragestau aus den Monaten Februar oder März reflektiert, oder wir tatsächlich den Beginn einer nachhaltigen Entwicklung gesehen haben. Und schließlich stehen auch Fragezeichen hinter der Binnennachfrage, die nach der ersten Erholungswelle womöglich nicht besonders hoch sein wird.

Welche Auswirkungen werden die wieder gestiegenen Spannungen zwischen den USA und China haben?
Monica Wang:
Wir sehen in vielen Ländern, dass die mit COVID-19 verbundenen wirtschaftlichen Spannungen zu politischen Spannungen werden. Gleichzeitig lässt sich interner Stress in der gegenwärtigen Situation leicht in externe Konflikte umwandeln. Hinzu kommt die Einführung des neuen „Sicherheitsgesetzes“ für Hongkong, was die Spannungen von der Ebene eines Konflikts um Informationstechnologie auf das Niveau einer politischen Auseinandersetzung gehoben hat. Für China ist diese Eskalation nicht wirklich günstig. Um dem entgegenzuwirken hat Peking seinen Willen bekräftigt, ein Phase-1-Handelsabkommen zu erzielen. Daneben hat die Regierung beispielsweise Hainan, die größte Insel der Volksrepublik China, zu einer Freihandelszone gemacht. Die damit verbundene Hoffnung ist, dass dort die Wettbewerbsfähigkeit steigt und man binnen zehn oder zwanzig Jahren so quasi ein neues Hongkong innerhalb der eigenen Grenzen schaffen kann.

Die größte Sorge am Markt ist, wie sich die Spannungen auf den Renminbi auswirken werden. Welches Szenario ist Ihrer Ansicht nach am wahrscheinlichsten?
Monica Wang:
Das wird davon abhängen, ob durch die Spannungen Maßnahmen ausgelöst werden, die der Wirtschaft wirklichen Schaden zufügen. Würde dadurch beispielsweise das Phase-1-Handelsabkommen scheitern, käme die chinesische Landeswährung mit Sicherheit unter weiteren Druck. Bleiben die Spannungen aber auf dem Niveau der Informationstechnologie oder der Hongkong-Frage, wird dadurch die chinesische Wirtschaft nicht in Mitleidenschaft gezogen, und wir rechnen dann auch nicht mit einer Abwertung des Renminbi. Gleichzeitig sehen wir zahlreiche Faktoren, die den Renminbi unterstützen. Dazu zählt beispielsweise die schnelle und dynamische Erholung der Wirtschaft. Darüber hinaus ist der Spread zwischen Anleihen aus den USA und aus China in den vergangenen Monaten sehr viel größer geworden, weshalb der Carry noch attraktiver ist. Und tatsächlich sehen wir trotz der neuerlichen Spannungen kontinuierliche Zuflüsse aus dem Ausland in den chinesischen Anleihenmarkt, was den Renminbi kräftig unterstützt. Nicht unterschätzt werden sollten auch die Maßnahmen zur Öffnung und Reformierung des Finanzsektors, was sich sehr positiv auf die chinesische Landeswährung auswirkt.

Wie hat sich die erste Erholungswelle auf den chinesischen Anleihenmarkt ausgewirkt?
Monica Wang:
In China sind die Menschen an die Arbeitsplätze zurückgekehrt, als die Zahl der neuen COVID-19-Patienten in den Krankenhäusern nahe null lag. In Europa hat man mit der Öffnung hingegen gewartet, bis die Zahl der Neuinfektionen gerade unter ein bestimmtes Niveau gefallen war, was eigentlich die zweite Ableitung der Veränderung der Pandemie ist. Daher verlief die Erholung in China unerwartet schnell und dynamisch. Dies hat den Anleihenmarkt vor allem im Mai belastet. Hinzu kam eine beinahe rekordhohe Emission vor allem von Anleihen der Lokalregierungen im Mai und einer speziellen Anleihe der Zentralregierung im Juli. Und dieses Angebot dürfte auch noch über einen Teil des dritten Quartals vergleichsweise hoch bleiben. Hinzu kam, dass die People’s Bank of China (PBoC) schneller als vom Markt erwartet aus den unkonventionellen Lockerungsmaßnahmen ausgestiegen ist. Und schließlich kam für Euro-Investoren über die nicht währungsgesicherte Tranche unseres Fonds auch von der Währungsseite Druck, nachdem die Gemeinschaftswährung angesichts der überraschend umfangreichen Stützungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank und der deutschen Regierung kräftig zum Dollar gestiegen war.

Wird die PBoC zu quantitativen Lockerungen übergehen und das große Angebot aufkaufen, das auf den Markt kommt?
Monica Wang:
Ich denke nicht, dass quantitative Lockerungen unmittelbar bevorstehen. Die PBoC ist ebenso wie das Finanzministerium vergleichsweise unabhängig und sie versucht derzeit noch eine „normale“ Geldpolitik zu betreiben. Vor dem Nationalen Volkskongress gab es zwar heftige Diskussionen, ob die PBoC nicht die Anleihen zur Finanzierung des Konjunkturpakets direkt aufkaufen sollte, allerdings gelangte man schließlich zu einem „Nein“. Vergleicht man die jetzige PBoC mit der des Jahres 2009 hat die Notenbank heute ein duales Mandat, nämlich einerseits das Wachstum voranzutreiben, dabei aber andererseits nicht die Finanzstabilität aus den Augen zu verlieren; das schließt die Kontrolle der Verschuldung sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene ein, sowie die Kontrolle einer möglichen Blasenbildung am Immobilienmarkt.

In Ihrem Fonds, dem Eurizon Fund – Bond Aggregate RMB, sind 53 Anleihen, die Benchmark besteht aber aus 2474 Schuldtiteln. Spiegelt das Portfolio den Markt damit vernünftig wider?
Monica Wang:
Ja, wir denken, dass eine Zahl von 50 bis 60 Anleihen das Benchmark-Risiko gut repräsentiert. Denn ein großer Teil der über 2400 Schuldtitel in der Benchmark wird nicht täglich gehandelt. Und wir wollen natürlich nur jene Anleihen auswählen, die am liquidesten sind, und somit die größte Sicherheit für unsere Investoren bieten.

Welche Veränderungen haben Sie am Portfolio zuletzt vorgenommen?
Monica Wang:
Seit Februar haben wir damit begonnen, die Duration zu verringern. Gründe dafür waren die schnelle und dynamische Erholungsbewegung der Wirtschaft und die Rückkehr des Risikoappetits, besonders in China. Im Mai haben wir die Duration dann noch weiter zurückgefahren womit sie jetzt etwas niedriger als in der Benchmark ist. Konkret sind wir seit Februar bei Laufzeiten von einem bis drei Jahren untergewichtet, sehen angesichts der starken Verflachung der Zinskurve mit Blick nach vorne aber eine gute Chance, in diesen Bereich zurückzukehren, um den Carry zu vereinnahmen. Auch bei 30-jährigen Laufzeiten sind wir untergewichtet, zum einen wegen der schnellen konjunkturellen Erholung, aber auch wegen der zu erwartenden Neuemissionen, die einen Schwerpunkt bei Laufzeiten über zehn Jahren haben. Mit Blick auf die Bonitäten sind wir sehr, sehr vorsichtig und halten nur die sichersten Namen. Bei den Spreads kämpfen wir derzeit an zwei Fronten: Da ist zum einen die PBoC mit ihren Maßnahmen zur Lockerung der Kreditvergabe, mit denen die Unternehmen unterstützt werden sollen, und zum zweiten befürchten wir, dass sich die Probleme einiger Unternehmen erst mit einer gewissen Verzögerung zeigen werden, während viele Hilfsmaßnahmen nur für wenige Monate ausgelegt sind. Diese Asymmetrie kann in einigen Sektoren zu strukturellen Problemen führen. Mit Blick auf die Sektoren bleiben wir bei den Papieren der Policy-Banken übergewichtet, da die Zeiten weiter recht unsicher sind und sich damit die Liquidität im Portfolio gut steuern lässt. Darüber hinaus hat sich zuletzt der Spread zwischen Staatsanleihen und Papieren der Policy-Banken etwas ausgeweitet, sodass das Halten dieser Schuldtitel ein kleines Bisschen attraktiver geworden ist, besonders vor dem Hintergrund der speziellen Emission der Zentralregierung im Juli.

In den vergangenen Monaten ist es auch in Ihrer Anlageklasse einigermaßen turbulent zugegangen. Sie haben die Gründe genannt: die schnelle und dynamische Erholung, eine rege Emissionstätigkeit und Druck von der Währungsseite. Hat damit grundsätzlich der Status des chinesischen Anleihenmarkts als „sicherer Hafen“ Schaden genommen?
Monica Wang:
Der chinesische Anleihenmarkt ist weiter ein „sicherer Hafen“, denn die Parameter haben sich nicht verändert. Geht der Risikoappetit der chinesischen Anleger angesichts von Krisen zurück, bleibt ihnen angesichts der Restriktionen nach wie vor nur der heimische Anleihenmarkt als „sicherer Hafen“. Historisch betrachtet hat die Asset-Klasse während aller Krisen seit 2007 so funktioniert, womit sie sich überraschenderweise so verhält wie US-Staatsanleihen oder Gold. Das haben wir abermals gesehen, als die COVID-19-Pandemie im Frühjahr für historischen Stress an den Kapitalmärkten gesorgt hat, besonders während der Liquiditätskrise im März. Und wir gehen davon aus, dass diese Eigenschaft fortbestehen wird. Und noch ein anderer Aspekt ist wichtig: Zwar waren im Mai rekordhohe Zuflüsse von ausländischen Investoren zu verzeichnen, trotzdem ist der Anteil von chinesischen Anleihen in ausländischen Händen nach wie vor sehr niedrig. Betrachtet man die ausstehenden Renminbi-Anleihen insgesamt, sind es gerade einmal 2,6 Prozent. Bei Staatsanleihen liegt der Anteil bei nur acht Prozent, während sich zwölf Prozent der japanischen und 33 Prozent der US-Staatsanleihen in ausländischer Hand befinden. Wir gehen davon aus, dass sich der Anteil in den kommenden Jahren exponentiell auf 10 bis 15 Prozent aller ausstehenden Renminbi-Anleihen erhöhen wird. Auf mittlere Sicht kann das einen Zufluss von zwei Billionen Dollar in den chinesischen Anleihenmarkt bedeuten. Das sollte den Markt treiben.

Aber auch US-Anleihen haben sich zuletzt abermals als „sicherer Hafen“ erwiesen…
Monica Wang:
Das stimmt. Der chinesische und der US-Anleihenmarkt sind hinsichtlich des Risikocharakters sehr ähnlich. So halten sich beide Märkte in Phasen sinkender Risikoneigung sehr gut. Und vor 2016 waren US-Anleihen die am stärksten mit chinesischen Anleihen korrelierte Asset-Klasse. Seitdem bieten chinesische Schuldtitel jedoch einen guten Diversifikator zu US-Anleihen, da der Renminbi jetzt nicht mehr an den Dollar, sondern einen Währungskorb gekoppelt ist. Unserer Ansicht nach lässt sich so also das Risikoprofil eines global investierenden Anleihenportfolios verbessern.

 

Veröffentlicht am: 17.07.2020

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