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Freitag, 29. März 2024
   
 

Mario Draghi: „Mr. Nullzins“ hat in einer herausfordernden Zeit viele Erfolge erzielt

Mondher Bettaieb, Head of Corporate Bonds bei Vontobel Asset Management

Die Amtszeit von Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) neigt sich dem Ende zu. Doch auch wenn sein Wirken als EZB-Chef vor allem mit Null- und Strafzinsen verbunden sein wird, hat er viele Erfolge erzielt.

So ist es ihm während seiner Zeit als EZB-Präsident vor allem gelungen, das Finanzsystem wieder auf Vordermann zu bringen. Seine "Whatever It Takes"-Rede im August 2012 markierte dabei den Beginn einer ganzen Reihe von sorgfältig exerzierten Maßnahmen zur Rettung des europäischen Bankensystems und des Euro als Gemeinschaftswährung. Damals brauchten wir ein starkes Statement, denn das Euro-System war in desolatem Zustand und große Volkswirtschaften wie Spanien oder Portugal waren nicht mehr in der Lage, sich selbst zu refinanzieren.

Mario Draghi: Der „Euro-Weber“, der das Finanzgeflecht rekonstruiert hat

Eine Reihe von Politikern haben einst riesiges politisches Kapital in die Gemeinschaftswährung investiert. Dies reicht bis zu François Mitterrand und Helmut Kohl zurück, die im Jahr 1992 den Maastrichter Vertrag unterzeichnet haben. Ich erinnere mich, wie François Mitterrand sagte, dass sie mit der Unterzeichnung des Vertrags letztendlich einen Dritten Weltkrieg in Europa vermeiden wollten. Sie würden den Euro einführen, um Europa zu vereinigen. Das politische Kapital des Euro ist also nichts Neues. Es geht auf die Zeit dieser beiden großen Staatsmänner zurück.
 
Bereits 2012 machten es die Marktbedingungen Spanien unmöglich, sich auf Regierungsebene zu refinanzieren, so dass das Land keine Anleihen mehr emittieren konnte. Dies war ein wesentliches Risiko, das Mario Draghi zum Handeln zwang, um eine Implosion des europäischen Raums zu verhindern und um das Überleben des Euro zu sichern. Spanien war damals das schwache Glied im europäischen Staatenverbund. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema führte zu einer ganzen Reihe wichtiger Maßnahmen, dank derer der Euro als Gemeinschaftswährung und der gesamte europäische Raum noch heute Bestand haben.

Damals bestand ein großes systemisches Risiko. Um es einfach auszudrücken: Wenn sich eine Regierung nicht refinanzieren kann, können die Banken des Landes sich nicht refinanzieren, und wenn die Banken sich nicht refinanzieren können, können sie keine Kredite vergeben, und das ist im Grunde genommen der Tod einer Volkswirtschaft – so einfach ist es. So half Mario Draghi nicht nur den europäischen Regierungen aus der Patsche, sondern auch allen europäischen Banken – insbesondere jenen, die in einem Konstrukt von Dominosteinen im Euro-Interbankengeschäft miteinander verbunden sind.
 
Eine Rede ist nicht genug, um ein ganzes System zu sanieren

Eine der ersten Maßnahmen von Mario Draghi war die Schaffung des Outright Monetary Transactions Programms (OMT). Diese Initiative ermöglichte es der EZB, unter bestimmten Bedingungen Staatsanleihen zu kaufen, um sicherzustellen, dass sich die europäischen Staatsregierungen refinanzieren können. Das OMT-Programm diente als Instrument, um Anleihen über den Europäischen Stabilitätsfonds zu kaufen, nachdem die Länder um Unterstützung gebeten hatten. Natürlich mussten diese Länder auf wirtschaftlicher Ebene etwas dafür tun, um an diesem Programm teilnehmen zu können.

Auf diese Weise stellte Draghi sicher, dass Spanien und andere Peripherieländer in der Lage sein würden, sich am Markt zu refinanzieren. Somit konnten sich die Spreads für europäische Staatsanleihen wieder verengen, was eine gute Nachricht war. Unter der Schirmherrschaft des Europäischen Stabilitätsfonds und dem OMT-Programm konnten die europäischen Staaten das Geld erhalten, das sie für die Rekapitalisierung ihrer Banken benötigten. Somit waren die Banken in der Lage, sich zu erschwinglichen Konditionen zu rekapitalisieren, was es ihnen ermöglichte, erschwingliche Kredite an die Wirtschaftsakteure des Landes weiterzugeben und so das Überleben des Finanzsystems zu sichern.
 
Es folgte das langfristige Refinanzierungsgeschäft (LTRO) für die Banken – eine der größten Maßnahmen von Mario Draghi. Das LTRO trug dazu bei, dass sich die europäischen Banken weiterhin zu erschwinglichen Konditionen refinanzieren konnten, mit dem Ziel, einen Kreditengpass in der Wirtschaft zu verhindern. Wenn man sicherstellt, dass sich die Banken zu bezahlbaren Konditionen finanzieren können, sorgt das dafür, dass sie wieder profitabel werden. Bei der Kreditvergabe verdienen die Banken Spreads, die es ihnen ermöglichen, ihre Kapitalpositionen wiederaufzubauen.
 
Anfang 2013 wurde die EZB zur Aufsichtsbehörde der größten europäischen Banken, um der Verschlechterung der Kreditqualität der europäischen Banken und den steigenden Kreditkosten, die die Kreditvergabe behinderten, zu begegnen. Damals befanden sich die europäischen Banken in einer ernsten Lage, da sie große Mengen an faulen Krediten angesammelt hatten. Unter der Schirmherrschaft der EZB wurden klare Leitlinien zur Erkennung und Reduzierung dieser toxischen Kredite festgelegt. Es dauerte viele Jahre, bis dies im europäischen Raum zur Norm wurde. Indem er auf die Umsetzung dieser Richtlinien drängte, erhöhte Mario Draghi die Chance auf eine Verbesserung der Qualität des Bankensystems in Europa, und das ist ein großer Erfolg. Die Leute neigen dazu, diese Erfolge zu vergessen, aber heute sind die europäischen Banken im Allgemeinen gut kapitalisiert und recht gesund.

Mario Draghi hat also Außergewöhnliches geleistet. Er war Professor für Angewandte Wirtschaftstheorie – vergessen wir nicht, dass er am MIT in den USA promoviert hat. Er verfügt also nicht nur über das theoretische Wissen, sondern auch über den erforderlichen Pragmatismus, um die Rolle eines EZB-Präsidenten zu füllen. Ich denke, sein Werdegang ist einzigartig. Ohne ihn wären wir wirklich in Schwierigkeiten gewesen. Letztendlich hat Mario Draghi das Finanzsystem gerettet und ich habe keinen Zweifel daran, dass er eines Tages ein fester Bestandteil der Wirtschaftsgeschichte werden wird.
 
Draghi legt den Grundstein für “Low Forever”

Heute leitet Mario Draghi seine letzte Sitzung der EZB. Er hinterlässt uns ein viel gesünderes Finanzsystem mit sehr erschwinglichen Zinssätzen und ausgewogenen Maßnahmen, die die Wirtschaftstätigkeit und den Verbraucherschutz weiterhin aufrechterhalten werden. Dies wird in Zukunft zu einer größeren Herausforderung, da wir die vierte Stufe der industriellen Revolution, die Digitalisierung, durchlaufen. Ich glaube, dass drahtlose Kommunikation oder 5G die Sinnbilder dieser zweiten Etappe einer neuen Ära werden. Sie ermöglichen eine massive Konnektivität zwischen Maschinen und Objekten, was wiederum den nächsten Schritt in Richtung Industrieautomatisierung und weitere Effizienzsteigerung überhaupt erst greifbar macht. So beeindruckend diese Entwicklungen auch sind, wird sich der nächste Automatisierungssprung doch stark auf manuelle Tätigkeiten und die Erwerbstätigenquoten auswirken. Mitarbeiter durch mobile Roboter, Sensorprozesse und Netzwerkfunktionen zu ersetzen, erhöht das Risiko einer weiteren Schwächung des Verbraucherverhaltens.

Hier sollte Christine Lagarde meiner Meinung etwas bewegen können, indem sie Staatsausgaben fördert und so hilft, Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Mit solchen Maßnahmen würde sie die Übergangsphase gestützt werden. Im Sinne von Mario Draghi sollte sie weiterhin darin bestrebt sein, das europaweite System aufrechtzuerhalten und zu festigen. Vor kurzem wandte sie sich an den Internationalen Währungsfonds und erklärte beispielsweise, dass die Bank- und  Kapitalmarktunion ganz oben auf ihrer Prioritätenliste steht. Sie wird auch von einer weiteren kompetenten Person begleitet, ihrem neuen Chefökonom Philip Lane. Angesichts der Tatsache, dass er das irische Bankensystem als Leiter der irischen Zentralbank nach der Krise von 2008 gerettet hat, weiß er einiges über die Vorteile expansiver Geldpolitik der Zentralbanken.

Die Amtszeit von Christine Lagarde dürfte genauso spannend werden wie die von Mario Draghi und könnte den Beginn der „Low Forever“-Epoche markieren. Damit würde sie sicherstellen, dass Beschäftigungs- und Konsummöglichkeiten im europäischen Raum auch in den kommenden Jahren reichlich vorhanden sind.

 

Veröffentlicht am: 24.10.2019

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