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Was wir vom Weihnachtsmann über Stress lernen können

... verrät der Weihnachtsmann, alias Dr. Ilona Bürgel

Wollten Sie schon mal Weihnachtsmann spielen? Ich, Dipl. Psychologin Dr. Ilona Bürgel, durfte es kürzlich für Jörg-Michael Ehrlich, der mich für das Magazin chefs! interviewt hat.
 
Themen des „Interviews mit dem Weihnachtsmann“ waren Strategien gegen den Feiertagsstress, die Bedeutung kleiner Pausen in Zeiten von Spitzenbelastungen, die Verantwortung von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbeitern sowie die hohe Emotionalität des Weihnachtsfests
 
Herr Weihnachtsmann, Sie arbeiten ja schon immer in der Vorweihnachtszeit und an den Feiertagen. Welchen Tipp haben Sie für Köchinnen und Köche?
Weihnachtsmann:
Als Spezialist für Weihnachten weiß ich bereits viele Wochen im Voraus, wann meine Hochphase beginnt. Weihnachten kommt daher nicht überraschend für mich, sondern ich habe ausreichend Zeit, über die anstehenden Herausforderungen nachzudenken und mich entsprechend vorzubereiten. Mich wundert daher immer wieder, wenn Menschen sich plötzlich fragen: Mist, ist denn schon wieder Weihnachten?
 
Vielen Köchen und Küchenchefs graut es förmlich vor dieser Zeit. Was können sie tun, damit sie diese stressige Zeit besser überstehen als in den Vorjahren?
Weihnachtsmann:
Bevor es richtig losgeht, sollten sie vorher, beispielsweise Mitte November, noch einmal etwas Gutes für sich tun - ein Wochenendtrip mit der Familie, ein schöner Restaurantbesuch oder eine Wanderung mit Freunden. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es selbst in der Weihnachtszeit immer Tage gibt, an denen es etwas ruhiger zugeht. Die meisten Berufstätigen haben allerdings verlernt, diese kurzen Pausen für sich richtig zu nutzen.
 
An welche Möglichkeiten des Luftholens denken Sie dabei konkret?
Weihnachtsmann:
Menschen in Berufen mit Spitzenbelastungen müssen mehr als andere darauf achten, sich regelmäßig für kurze Zeit aus dem Geschehen auszuklinken - sei es, indem sie kurz an die frische Luft gehen und den ziehenden Wolken hinterherschauen, in Ruhe und ganz bewusst einen Kaffee oder ein Glas Wasser trinken, einfach mal für ein paar Minuten die Augen schließen, um den Gedanken freien Lauf zu lassen, langsam rückwärts von 10 bis 0 zählen oder ein schönes Lied hören. Es klingt eigentlich lapidar: Pausen, auch wenn es nur zwei Minuten sind, sind extrem wichtig, damit sich die Batterien nicht völlig entladen. Auf keinen Fall sollte man wieder in die Technik flüchten, um E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten auf dem Handy zu checken. Das sind keine Pausen, weil Nachrichten in der Regel immer etwas mit der Arbeit zu tun haben oder negativ und belastend sind.
 
Warum fällt das Pausemachen vielen Mitarbeitern so schwer?
Weihnachtsmann:
Es ist ein Automatismus unseres Gehirns, dass wir in einer stressigen Situation  eine Tendenz haben, als erstes immer nur die Probleme zu sehen. Dabei handelt es sich meistens um Belastendes, von dem wir fürchten, dass wir es nicht geregelt bekommen. In diesen Situationen wird völlig vergessen, dass es selbst im Weihnachtsstress Dinge gibt, die Spaß machen, die funktionieren und die einfach schön sind. Die Entscheidung, ob eine Situation eine Belastung ist oder nicht, fällt einzig und allein im Kopf.
 
Aber was können Köche tun, wenn - im wahrsten Sinne – die Hütte brennt und sie vor Stress nicht mehr wissen, was sie zuerst tun sollen?
Weihnachtsmann:
Da hilft meiner Erfahrung nach am besten ein Spruch wie „Jetzt keine Panik, sondern ein Schritt nach dem anderen“. Diese simple Methode der Selbstsuggestion wird leider in solchen Situationen oft vergessen. Ein Küchenchef sollte das übrigens auch seinen Mitarbeitern gegenüber äußern, wenn er merkt, dass sie beispielsweise von Bestellungen überrannt werden. Das nimmt Druck aus dem Kessel. Es ist wissenschaftlich erwiesen: Wenn man sich solche Sätze ins Gedächtnis ruft, fängt das Gehirn an, nach Antworten und Auswegen zu suchen.
 
Ein Vorgesetzter muss also mit gutem Beispiel vorangehen?
Weihnachtsmann:
Führung ist in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiges Thema. Ich erlebe es bei Vorgesetzten in allen Branchen, dass sie sich selbst keine Pausen gönnen und Überstunden ohne Ende machen. Ihnen ist vermutlich nicht bewusst, dass sie damit ihre Mitarbeiter dahingehend unter Druck setzen, selber keine Pausen einzulegen und stattdessen wie ihr Chef bis ans Limit zu gehen. Daher ist es wichtig, dass man als Küchenchef vorlebt, dass es keine Höchstleistung ist, sich in der Weihnachtszeit selbst kaputt zu machen. Viel wichtiger ist es, auch in der Weihnachtszeit auf sein Wohlbefinden und seine Gesundheit zu achten. Nur so kann eine Führungskraft in Stressphasen gemeinsam mit ihrem Team über eine längere Zeit eine gute Leistung abrufen.
 
Während die meisten Menschen feiern, arbeiten Sie und die Mitarbeiter in der Gastronomie und Hotellerie auch an Heiligabend und den Weihnachtsfeiertagen, um Menschen eine schöne Zeit zu bescheren. Wo bleibt da noch Zeit für Besinnung und das Feiern von Weihnachten?
Weihnachtsmann:
Viele Menschen begehen den Fehler, dass sich Weihnachten für sie mehr oder weniger allein auf Heiligabend zuspitzt und fokussiert. Wer aber beispielsweise Heiligabend und an den Feiertagen arbeiten muss, der sollte lernen, die gesamte Adventszeit zu nutzen, um liebgewordene Rituale zu pflegen; Plätzchen backen, einen Adventskranz aufstellen oder gemeinsam mit den Kindern im Wald einen Weihnachtsbaum schlagen. Viele Menschen, die an Heiligabend arbeiten müssen, verdrängen stattdessen aus Frust ihre Weihnachtsgefühle. Mein Tipp: Bevor man zum Dienst geht, trotzdem etwas tun, das mit Weihnachten zu tun hat; eine Kerze anstecken, mit der Familie gemütlich frühstücken oder auf dem Weg zur Arbeit im Auto eine CD mit Weihnachtsliedern hören. Dazu gehört auch, dass man als Vorgesetzter seinen Mitarbeitern auf jeden Fall von Herzen „Frohe Weihnachten“ wünscht und beispielsweise ein kleines Geschenk überreicht - doch selbst diese kleine Geste wird in vielen Küchen vergessen oder nur halbherzig und lieblos umgesetzt.
 
Junge Köche und Köchinnen, die beispielsweise zurzeit in Dubai, auf Kreuzfahrtschiffen oder in der Wintersaion in den Alpen arbeiten, haben uns erzählt, dass die Weihnachtszeit für sie wegen des Verzichts auf ihre Familie und die damit verbundenen Rituale emotional eine schwere Zeit ist. Wie sollte man als junger Koch, der zum ersten Mal von seiner Familie an Weihnachten getrennt ist, damit umgehen?
Weihnachtsmann:
Trauer, Heimweh und Sehnsucht sind Dinge, die im Kopf passieren. Als junger Koch oder Köchin fern der Heimat und der Familie sollte man sich in solchen belastenden Situationen klarmachen, warum ich zurzeit in Dubai bin oder auf einem Schiff arbeite. Ist es ein wichtiger Karriereschritt? Will ich gutes Geld verdienen? Erfülle ich mir einen Traum, den ich schon als kleines Kind geträumt habe? Grübeln und Kummer sind immer nur das Ergebnis einer Bewertung. Aber es hat ja einen tieferen Grund, warum sich ein Koch beispielsweise für Dubai entschieden hat.
 
Aber Einsamkeit spüren Menschen an Weihnachten besonders intensiv?
Weihnachtsmann:
Das wichtigste in einer solchen Situation ist es, Verbundenheit zu anderen Menschen herzustellen. Daher sollte man einfach schauen, was beispielsweise in einem Hotel in Dubai möglich ist. Ich bin ziemlich sicher, dass es auch dort liebe Kollegen gibt, mit denen man gemeinsam Weihnachten feiern kann, auch wenn es unter Palmen stattfindet anstatt in einer verschneiten Winterwunderwelt. Gerade zu Weihnachten werden viele Erinnerungen verklärt. Wer aber ständig dem hinterhertrauert, was er nicht hat, gibt anderen Menschen keine Chance, Verbundenheit herzustellen. Mein Tipp: Auf keinen Fall Verlustgefühle aufkommen lassen, denn auch Wohlbefinden ist immer eine Frage der Bewertung im Kopf.
 
Weihnachten ist ein Fest, dass emotional extrem hoch aufgeladen ist. Warum ist das eigentlich so?
Weihnachtsmann:
Als außenstehender Weihnachtsexperte beobachte ich gerade in Deutschland, dass die Menschen eine Kultur des ständigen Überforderns entwickelt haben. Einzige Ausnahme: Urlaub und Weihnachten. Auf diese beiden Anlässe arbeiten sie monatelang hin, ohne auf ihr Wohlbefinden zu achten. Aber wenn es so weit ist, dann entwickeln sie eine wahnsinnige Anspruchshaltung. Plötzlich muss alles stimmen, nichts darf den Weihnachtsfrieden stören. Damit verbunden ist ein Hang zum Perfektionismus, dem kein Mensch mehr gerecht werden kann. Da können wir von den Skandinaviern lernen, bei denen es in der Weihnachtszeit viel mehr um Gemütlichkeit, Verbundenheit und Wohlbefinden geht. Überspitzt gesagt: Ob die Kerze dabei zur Tischdecke oder zum Geschirr passt, ist zweitrangig, während hierzulande in Familien ein Mordsbrimborium um Weihnachten gemacht wird.
 
Was sind die Folgen?
Weihnachtsmann:
Nur eine Zahl: Die meisten Scheidungen werden in Deutschland kurz nach Weihnachten eingereicht. Jeder Psychologe kann bestätigen, dass viele Menschen – das gilt natürlich auch für die Mitarbeiter in der Gastronomie und Hotellerie – gerade zu Weihnachten mental und körperlich mit ihren Kräften am Ende sind. Die Batterien sind leer, sie reagieren hypersensibel, sind schneller gekränkt, fühlen sich angegriffen oder entwickeln sogar Ängste. Viele Themen, die das ganze Jahr unter den Teppich gekehrt wurden, spitzen sich in der Weihnachtszeit oftmals zu.
 
Was bedeutet das für einen Vorgesetzen?
Weihnachtsmann:
Das Risiko steigt, dass innerbetriebliche Konflikte in dieser Zeit eskalieren. Als Vorgesetzter sollte man seine Mitarbeiter genau beobachten und auf keinen Fall überfordern. Und noch einmal: Selbst in Stresszeiten muss Zeit sein für Pausen und Entspannung, damit sich ein Grundwohlbefinden im Team einstellt. So werden die Mitarbeiter widerstandsfähiger und können mit Stress, Belastungen und Krisen besser umgehen. Wohlbefinden entsteht vor allem dann, wenn man sich fordert und ein bisschen anstrengt, beispielsweise durch Sport oder ein Buch lesen. Kontraproduktiv sind dagegen stundenlanges Fernsehen auf dem Sofa oder zu viel PC und Handy. Das hat wenig oder nichts mit Erholung zu tun.
 
Viele Mitarbeiter in der Hotellerie und Gastronomie sind enttäuscht, dass es von den Gästen als völlig normal angesehen wird, dass sie an Weihnachten arbeiten. Das führt teilweise zu Aggressionen und Demotivation. Wie können Vorgesetzte ihre Mitarbeiter darauf vorbereiten?
Weihnachtsmann:
Für ein Team ist es in solchen Situationen immer hilfreich, sich die Sinnfrage ihres Handelns und Tuns zu stellen. Vorgesetzte sollten daher vor Beginn der Hochsaison mit ihren Mitarbeitern besprechen: Was ist das Besondere unserer Arbeit, die wir an Weihnachten leisten? Was haben unsere Gäste davon, dass es uns gibt? Was haben wir in den letzten Wochen Tolles geleistet? Was macht uns Spaß an der Arbeit? In welchen Bereichen sind wir einmalig? Solche reflektierenden Gespräche tragen dazu bei, dass man als Mitarbeiter unabhängig wird von dem, was andere denken oder sagen. Dann ist man auch explizit weniger abhängig von Lob und Anerkennung durch Gäste oder andere Menschen. Zum Schluss noch ein Tipp: Als Koch oder Köchin sollte man sich in der Weihnachtszeit bewusst machen und mit Stolz von sich sagen: Ich habe das Glück, an Heiligabend und Weihnachten arbeiten zu dürfen, um anderen Menschen eine wunderschöne Zeit zu bescheren.

In die Rolle des Weihnachtsmanns ist für chefs! die Psychologin und Sachbuchautorin Ilona Bürgel aus Dresden geschlüpft. Ihre zentralen Themen, über die sie  mehrere Bücher und Artikel geschrieben hat, sind Wohlbefinden und Leistung. Als Referentin und Autorin arbeitet sie auch zu Themen wie Gesundheit, Work-Life-Balance, Stress und Positive Leadership. Für die Sächsische Zeitung verfasst sie die Kolumne Psychotalk. Sie ist Kolumnistin bei focus online und Wirtschaftswoche online.

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Veröffentlicht am: 23.12.2017

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