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Freitag, 19. April 2024
   
 

Telematik: Voraussetzung für individuellere und gerechtere Tarife

Versicherer kündigen damit nicht Solidargemeinschaft auf

Telematik-Tarife ermöglichen es, Versicherungsrisiken besser und präziser einzuschätzen. Denn sie berücksichtigen nicht allein die gemeinsamen, sondern auch die individuellen Risiken von Versicherten. So tragen die Telematik-Tarife wesentlich zu einer optimierten Differenzierung der Preisgestaltung und damit letztlich zu faireren Versicherungsprämien bei.

Im Fall der Kfz-Haftpflichtversicherung etwa wird die Prämie des einzelnen Versicherungsnehmers mit durch sein persönliches Fahrverhalten beeinflusst: Nach dem Motto „pay as you drive“ ergeben sich so bei einem Kfz-Telematik-Tarif Beitragsnachlässe für besonders vorsichtiges Fahren.

Das neue Versicherungsangebot bedeutet somit nicht, dass sich die Versicherungen mit den Telematik-Tarifen aus der Solidargemeinschaft davonstehlen wollen. Vielmehr nutzen die Unternehmen die neuen Möglichkeiten der Telematik, jener Technologie, die Telekommunikation mit Informatik verknüpft, um die Prämienhöhe von Autofahrern besser ihrem individuellen Schadensrisiko anzupassen. Also: Wer gut fährt, soll Geld sparen können. Darüber hinaus gebietet den Unternehmen der Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt, jeweils nach der bestmöglichen Preis-Leistungsrelation zu suchen. Deshalb können sie gar nicht darauf verzichten, die Möglichkeiten der Individualisierung durch Telematik zu nutzen. Das machten jetzt die Experten beim jüngsten Goslar Diskurs der Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern (Goslar Institut) deutlich.

Dabei stellte Professor Dr. Fred Wagner vom Lehrstuhl für Versicherungsbetriebslehre der Universität Leipzig fest, dass eine Privatversicherung im Kern auch gar nicht auf einem Solidarprinzip beruht – also nicht nach dem Prinzip eines Solidarausgleichs „stark für schwach“, „reich für arm“ „jung für alt“ oder „gesund für krank“ funktioniert. Vielmehr basiere eine Privatversicherung auf risikoadäquaten Prämien sowie dem Prinzip des Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit, erläuterte der Experte. Das heißt vereinfacht: Der Kunde zahlt risikoadäquate Prämien in ein Kollektiv ähnlicher Versicherungsrisiken ein und erhält dafür die Zusage, im Versicherungsfall aus dem gemeinsamen Geldtopf heraus seinen Schaden ausgeglichen zu bekommen. Nach diesem Prinzip werden faire Prämien möglich, das heißt geringere Prämien für geringere Risiken, aber umgekehrt auch höhere Prämien für höhere Risiken. Somit sei das Kollektiv, die Versichertengemeinschaft, nicht als Solidargemeinschaft konstituiert, betonte Professor Wagner.

Er stellte zudem fest, dass sich die Gemeinschaft der Versicherten vermutlich auch nicht als Solidargemeinschaft empfinde. Denn jeder Versicherungsnehmer strebe – für sich allein! – beim Versicherungsschutz nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis und der niedrigsten Prämie. Im Wettbewerb müssten sich die Versicherer deshalb auch anstrengen, um niedrige Prämien zu ermöglichen. Und das geht eben nicht mit Durchschnittsprämien für Durchschnittsrisiken, die es in der Realität noch nicht einmal gibt, sondern nur mit verschieden hohen Prämien für die tatsächlich auch verschieden hohen Risiken. Auf diese Weise können „vorsichtigen“ Versicherungsnehmern auch entsprechend niedrig kalkulierte Versicherungsprämien angeboten werden.

Aus Sicht von Professor Horst Müller-Peters vom Institut für Versicherungswesen der Technischen Hochschule Köln kann Telematik in der Kfz-Versicherung nicht nur einer genaueren Risikokalkulation den Weg bahnen, sondern auch einer als gerechter empfundenen Tariflandschaft. Damit stehe einer begrenzten Umstellung auf telematische Tarife aus Gerechtigkeitsgründen nichts entgegen, erklärte der Wissenschaftler beim Goslar Diskurs. Er hob darüber hinaus hervor, dass telematische Tarife zudem einen Beitrag dazu leisten können, Schäden zu vermeiden und Leben zu retten.

Telematik erlaube nicht nur im Kfz-, sondern genauso im Gesundheitsbereich, eine sehr viel genauere Bepreisung von Versicherungsrisiken, je nachdem, wie der Kunde fahre, lebe, sich verhalte, erläuterte Professor Müller-Peters. Wie weit diese Differenzierung gehen soll, ob bis zu einer „Granulierung“, oder ob mehr Gleichbehandlung gewünscht sei, müsse von der Gesellschaft und damit mittelbar von der Politik entschieden werden, sagte er. Eine entscheidende Voraussetzung für die Akzeptanz telematischer Tarife ist aus Sicht des Versicherungsexperten, dass die Unternehmen die positiven Sicherheitsaspekte ebenso belegen können wie tatsächliche Kostenvorteile. Gelinge dies, dürften auch vorerst skeptische Kundengruppen die neuen Tarife übernehmen und dabei sukzessive auch Veränderungen im Fahrverhalten zeigen, meint Professor Müller-Peters.

Wie eine von ihm durchgeführte Umfrage unter anderem ergab, finden offenbar viele mögliche Kriterien telematischer Tarife durchaus hohe Akzeptanz in der Bevölkerung: so etwa die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, häufiges schnelles Fahren oder Änderungen des Fahrstils im Vergleich zum Vorjahr. Da überwiegt demnach offenbar die Ansicht, wer vorsichtiger fährt, soll weniger bezahlen. Andere „abwertende“ Merkmale, wie das Automodell oder der Wohnort des Halters, werden im Vergleich damit als nicht so gerecht empfunden. Aus der Befragung folgerte der Wissenschaftler, dass die Merkmale telematischer Tarife vielfach als angemessener eingestuft werden als die sogenannten Ersatzmerkmale, nach denen Kfz-Prämien derzeit noch bemessen werden. Im Kfz-Bereich sei die risikoadäquate Einstufung also im Prinzip akzeptiert, stellte Professor Müller-Peters fest. Voraussetzung sei allerdings, dass die Kriterien transparent seien und der Fahrer durch sein Verhalten tatsächlich Einfluss auf seine Einstufung nehmen kann.

Hermann-Josef Tenhagen, Geschäftsführer und Chefredakteur des gemeinnützigen Verbraucherportals „Finanztip“, hingegen hält Telematik nicht für ein Allheilmittel. Vielmehr sei zu befürchten, dass durch die weitere Differenzierung von Tarifen im Zuge der weiteren Verbreitung der Telematik der Versicherungsmarkt für die Verbraucher noch unübersichtlicher werden kann. Dabei sei die Vergleichbarkeit von Tarifen schon jetzt für die Kunden sehr schwierig, bemängelte Tenhagen, dessen Portal den kurzen Weg zu einer günstigen Kfz-Versicherung weisen will. Heute könnten Kunden sich weder bei Vergleichsportalen noch bei im Prinzip günstigen Versicherern darauf verlassen, dass sie den besten und günstigsten Preis haben, monierte der Verbraucherberater.

Er wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass es bei Preisvergleichen zwischen dem billigsten und dem teuersten Anbieter Unterschiede bis zum Dreifachen gebe. In jedem Fall muss nach Ansicht des Finanztip-Chefs sichergestellt sein, dass sich die Preisgabe vieler persönlicher Daten, wie sie mit den Telematik-Tarifen verbunden ist, für den Versicherten unter dem Strich auch tatsächlich finanziell auszahlt. Tenhagen wies darauf hin, dass die Zukunft der Kfz-Versicherung vielleicht gar nicht durch die Telematik, sondern durch selbstfahrende Autos und die Übernahme des Versicherungsschutzes durch die Mobilitätskonzerne der Zukunft geprägt sein könne. Die Zahl der Unfälle und die anfallenden Kosten sollten jedenfalls drastisch zurückgehen.

Für die HUK-COBURG-Versicherungsgruppe, die seit Oktober 2016 ebenfalls Telematik-Tarife für Autofahrer anbietet, machte deren Vorstandssprecher Dr. Wolfgang Weiler in Goslar deutlich, dass von dem neuen Angebot insbesondere Kunden profitieren, die ansonsten hohe Prämien zu zahlen haben. So etwa junge Autofahrer und Fahranfänger, die sich mit vernünftiger und vorsichtiger Fahrweise Einsparungen bei der Prämie sichern können. Angesichts der Gerechtigkeitsvorteile und der größeren Flexibilität von Telematik-Tarifen geht Dr. Weiler davon aus, dass sich diese Angebote sukzessive bei den Verbrauchern durchsetzen, im Laufe der Zeit aber auch immer weiter entwickeln werden. Dabei werden demnach ebenfalls die sich verändernden Fahr-Verhaltensweisen der Versicherungskunden eine Rolle spielen, wie etwa das Carsharing. Auch hierfür seien individuellere Tarifsysteme passender, weil gerechter, sagte der HUK-Chef.

Er wies aber auch auf die Verantwortung der Versicherer in Bezug auf die durch die Telematik erhobenen Daten hin: Die Verbreitung der Telematik-Tarife hänge ab von der Akzeptanz beim Kunden, sagte Dr. Weiler. Und der Zuspruch der Versicherten zu dem neuen Angebot wird erheblich von der zugesicherten Datensicherheit bestimmt, waren sich die Experten beim Goslar Diskurs einig.

Quelle: Goslar-Institut

 

Veröffentlicht am: 04.02.2017

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