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Mittwoch, 24. April 2024
   
 

Unvergessene Weihnachten - die einundzwanzigste Geschichte

Das Holz für Weihnachten von Elisabeth Schmack



Venzka bei Hirschberg/Saale, Thüringen;1945
Es war kurz vor Weihnachten 1945. Mutter und wir drei Geschwister lebten seit einigen Wochen in einem winzigen Zimmer, der ehemaligen Kleiderkammer der Freiwilligen Feuerwehr in Venzka. Nach vielen Monaten Flucht, Vertreibung, Lager und Herumgestoßensein kamen wir hier einigermaßen zur Ruhe.

Auch wenn es durch Tür und Fenster zog und der kleine eiserne Ofen unser mühevoll gesammeltes Holz schneller durch den Schornstein jagte, als wir es beschaffen konnten, fühlten wir uns nach und nach geborgen. In diesen Tagen versuchten wir, uns einen Holzvorrat anzulegen, um über die Weihnachtsfeiertage „frei“ zu haben. Ein einheimischer Nachbar, der unser Bemühen sah, lieh uns eine Axt, denn bisher hatten wir die trocknen Äste nur mit den Händen von den Bäumen brechen können und über dem Knie kleingemacht.

Mein jüngerer Bruder und ich, 15 Jahre alt, gingen an einem kalten und schneereichen Tag mit der Axt und dem ebenfalls geliehenen Seil „ins Holz“. Die Luft war frisch und die Sonne ließ den Schnee glitzern. Doch wir hatten kaum den Blick für die herrliche Landschaft. Da, wo wir hingingen, hatten wir die dicksten Stubben schon ausgemacht. Hier trennte die Saale Thüringen und Franken. Hier war auch die Trennlinie der Ost- und Westzone. Es interessierte uns nicht, ob die Zonengrenze bewacht sein könnte. Für uns war das Holz ebenso Lebensmittel wie die Nahrungsmittel, die wir auf Lebensmittelkarten im Laden bekamen. Voller Elan machten wir uns an die Arbeit, die uns zu Weihnachten eine warme Stube bescheren sollte. Doch immer wieder sprang die Axt vom sperrigen Holz der Baumwurzel ab, ohne etwas zu bewirken. Wir waren nicht nur schwächlich, sondern auch unerfahren im Umgang mit einer Axt. Verbissen hauten wir abwechselnd auf das begehrte Holz der riesigen Baumwurzel ein. Diese großen Scheite, das wußten wir, würden viel länger Wärme spenden als das „Kroppzeug“, das wir ohne Axt nach Hause brachten. Jetzt war ich dran und schwang die schwere Axt hoch in die Luft.

Da stand plötzlich ein uniformierter Russe vor uns, das Gewehr im Anschlag. Ich war wie erstarrt. Nur in meinem Kopf arbeitete es wie verrückt. Bilder sah ich wieder, die ich endlich vergessen wollte. Von den rauhen Worten verstand ich nur „... dawei ...“
Aber ich konnte mich nicht rühren.

Da sprang der Soldat auf mich zu und entriß mir die Axt. Großer Gott ... wenn jetzt ... Und die Mutter weiß nicht mal die Stelle, wo wir nach Holz gingen ... Was wird ...?

Da krachte es. Ich kam wieder zu mir. Der Wurzelstock war mit einem mächtigen Hieb gespalten. Seine Ausläufer kappte der fremde Holzhauer in kurzer Zeit. Mit noch zitternden Knien schauten wir beide dem fast extatischen Treiben zu. Seine Uniformjacke hatte der Soldat ausgezogen und sein Gewehr an einen Fichtenstamm gelehnt. Wurzel um Wurzel holte er aus dem Boden. Die langen Holzstücke warf er neben uns auf einen Haufen. Jetzt wurden auch wir wieder lebendig und banden das Holz mit dem Strick zusammen, um es tragen oder hinter uns herzuschleifen zu können.

An unseren Gesichtern mußte der Soldat gesehen haben, wie erleichtert wir waren, denn zum Sprechen fehlte uns noch immer der Mut. Natürlich war es auch die Freude über das Holz, das uns dieser Mensch geschenkt hat. Aber es war auch die Erkenntnis, daß „Die“ nicht alle so sind, wie wir es vor kurzem noch erfahren hatten.



Die Geschichte "Das Holz für Weihnachten" ist in Band 4 der Buchreihe "Unvergessene Weihnachten" aus dem Zeitgutverlag Berlin (Preis:  8,90 Euro, ISBN 978-3-933336-73-6) erschienen.

 

Veröffentlicht am: 21.12.2022

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