
Die  Renditen von US-Staatsanleihen sind in der vergangenen Woche gesunken,  nachdem der Verbraucherpreisindex für Oktober niedriger ausfiel als  erwartet. 
Die Gesamtinflation ging auf 3,2 Prozent im  Jahresvergleich zurück. Die zugrunde liegende Kerninflation liegt aber  weiterhin bei 4 Prozent und damit doppelt so hoch wie das 2-Prozent-Ziel  der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Wir halten es daher noch für  verfrüht, eine Lockerung der Geldpolitik zu erwarten.
Es wird  aber immer wahrscheinlicher, dass die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht  haben. In den letzten Wochen gab es einige Anzeichen für eine  Abschwächung der Gesamtnachfrage in der US-Wirtschaft. Diese waren  jedoch zum Teil auf eine Abkühlung des Wachstums nach einem sehr starken  dritten Quartal zurückzuführen. Die Einzelhandelsumsätze sind nach wie  vor positiv und der Arbeitsmarkt bleibt robust.
Der Rückgang der  Staatsanleiherenditen hat derweil in Kombination mit stärkeren Aktien,  engeren Kreditspreads und einem schwächeren US-Dollar zu einer  deutlichen Entspannung der finanziellen Bedingungen geführt. Die  entsprechenden Indizes zeigen, dass die seit Mitte August zu  beobachtende Verschärfung nun vollständig rückgängig gemacht wurde.
Die  Entwicklung der US-Renditen spiegelte sich in der vergangenen Woche  auch in Europa wider. Im Vereinigten Königreich lag die Inflation  ebenfalls leicht unter den Konsensschätzungen. Dennoch bleibt die  Kerninflation in Großbritannien mit 5,7 Prozent auf einem hohen Niveau.  Die Bank of England legt bereits eine eher lockere Haltung an den Tag.  Daher gehen wir weiterhin davon aus, dass die Teuerung in der Nähe des  derzeitigen Niveaus verharren wird. Das verdeutlicht die Möglichkeit von  Stagflationsrisiken.
Die jüngsten Daten aus dem Vereinigten  Königreich zeigen kaum Anzeichen für eine Verlangsamung der  Lohnzuwächse. Trotz eines schwächeren konjunkturellen Umfelds lagen sie  bei fast 8 Prozent.
Auf politischer Ebene kehrte der ehemalige  Premierminister David Cameron im Zuge einer Kabinettsumbildung  überraschend in die Regierung zurück, nachdem Innenministerin Suella  Braverman entlassen worden war. Die darauf folgenden internen  Auseinandersetzungen deuten auf eine Regierung hin, die sich ihrem Ende  nähert. Umfragen zeigen, dass die Beliebtheit der Partei abnimmt. Dieser  Negativtrend kann bedeuten, dass eine verzweifelte Regierung mit  populistischen Maßnahmen die Unterstützung zu sichern versucht.
In  diesem Fall wird es immer wahrscheinlicher, dass im Herbsthaushalt  Steuersenkungen ergriffen werden. Sollte es dazu kommen, wird die  Reaktion am Markt für britische Staatsanleihen interessant sein. Nach  den massiven Turbulenzen im vergangenen Jahr würden wir nicht  ausschließen, dass es zu einem ähnlichen Ereignis kommt, wenn sich die  Marktteilnehmer gegenüber den Steuerplänen der Regierung skeptisch  zeigen.
Insgesamt dürfte das Thema der fiskalischen  Nachhaltigkeit die Märkte weltweit in den kommenden Wochen und Monaten  beeinflussen – auch, weil die Ratingagentur Moody‘s am vergangenen  Freitag die Aussichten für die Kreditwürdigkeit der USA auf negativ  gesenkt hat. Der Verlust des letzten AAA-Ratings der Vereinigten Staaten  wäre an sich unserer Meinung nach nicht sonderlich bedeutsam. Es wäre  aber symptomatisch für ein tiefer liegendes Problem: Viele politische  Entscheidungsträger weltweit legen einen alarmierenden Mangel an  finanzpolitischer Zurückhaltung an den Tag.
In den vergangenen 15  Jahren haben viele Regierungen mit Zustimmung der Wähler die Ausgaben  erhöht und die Steuern gesenkt. Man kann sich vorstellen, dass sie ihr  Verhalten nur dann ändern, wenn die Marktreaktion die Preise für  Vermögenswerte nach unten drückt und die Wähler dadurch ärmer macht.