Europa und die USA haben sich auf ein Rahmenabkommen im Handelsstreit geeinigt. Die Reaktionen darauf fallen geteilt aus, manche kritisieren das Abkommen als „zu teuer erkauft“. Nach Einschätzung von Michael Barakos, Portfolio-Manager in der International Equity Group von J.P. Morgan Asset Management, sei eine Einigung für die Märkte gleichwohl positiv, da diese erst einmal Sicherheit für Investoren biete.
Insgesamt sollte sich die strategische Reaktion Europas auf die Herausforderungen in den Handelsbeziehungen positiv auf den weiteren Wirtschaftsausblick der Region auswirken, und ein auch längerfristig vielversprechendes Umfeld für Aktieninvestoren schaffen. „Wir sind überzeugt, dass der gewaltige Richtungswechsel der gesamten europäischen Wirtschaft im nächsten Jahrzehnt und darüber hinaus erheblichen Rückenwind verleihen wird“, erklärt Barakos. Europa könnte letztendlich aus dem Handelskonflikt mit den USA sogar gestärkt hervorgehen. Dies zeige sich auch in der Nachfrage der Anlegerinnen und Anleger nach europäischen Aktien, die nach Analyse von Michael Barakos seit einigen Monaten auf dem höchsten Stand seit Jahren sei.
Fiskalpolitischer Wendepunkt stärkt Europa
Nach Ansicht von Barakos hätten die bisherigen handelspolitischen Unsicherheiten paradoxerweise einen wichtigen Wendepunkt bei den europäischen Fiskalausgaben ausgelöst. Allen voran nennt er Deutschland, wo seit Jahrzehnten eine strikt konservative Haushaltspolitik verfolgte wurde und nun Pläne für ein erhebliches Wirtschaftspaket verkündet wurden. „Allein der genehmigte Infrastrukturfonds Deutschlands im Wert von 500 Milliarden Euro ist vergleichbar mit dem Betrag, der für neue Investitionen im Rahmen des Infrastructure Investment and Jobs Act der USA im Jahr 2021 ausgegeben wurde“, stellt Portfolio-Manager Barakos fest.
Bemerkenswert dabei findet Barakos vor allem die relative Größenordnung: Während die US-Investitionen in Höhe von 550 Milliarden US-Dollar zum damaligen Zeitpunkt 2,3 Prozent der US-Wirtschaft ausmachten, entsprechen die deutschen Ausgaben 11,6 Prozent der Wirtschaft. Der Rückenwind für Deutschland und damit auch für Europa verspricht damit noch erheblich größer zu sein als durch Maßnahmen in den USA.
Unterstützende Geldpolitik schafft optimale Rahmenbedingungen
Ein weiterer makroökonomischer Faktor, der aus Sicht von Michael Barakos für europäische Aktien spricht, ist die europäische Geldpolitik. Auch wenn die EZB nach acht Zinssenkungen seit Sommer 2024 die Leitzinsen zuletzt unverändert auf 2 Prozent beließ, ist auf diesem Niveau für die ausgabenfreudigen Regierungen das Schuldenniveau beherrschbar. Mit der Gesamtinflation in der Eurozone innerhalb des Zielbereichs der EZB bestehe weiterhin die Möglichkeit, die Zinssätze weiter zu senken, auch wenn die EZB sich aktuell in einen „wait-and-see“-Modus begeben habe.
„Diese Ausrichtung der Geld- und Fiskalpolitik auf ein Unterstützen des Wachstums lässt uns optimistisch für den Ausblick der europäischen Wirtschaft sein", erklärt Barakos.
Europäische Banken und binnenorientierte Unternehmen im Fokus
Angesichts der günstigeren makroökonomischen Rahmenbedingungen erscheinen aus Sicht von Barakos vor allem europäische Banken als Sektor attraktiv. „Seit November 2020 übertrifft der Bankensektor die ‚Glorreichen Sieben‘ und erntet die Früchte einer langen und schmerzhaften Transformation. Die Anlegerinnen und Anleger haben die Sorgen der letzten zwei Jahrzehnte um diesen Sektor abgeschüttelt, und positive Zinssätze sowie eine starke Bilanz steigern die Erträge der Banken“, sagt Barakos. Die aktuellen zollbedingten Turbulenzen würden die Argumente für Banken aus Bewertungssicht sogar weiter stärken.
Darüber hinaus sieht Barakos insbesondere im europäischen Industriesektor binnenorientierte Unternehmen wie Spie und Bilfinger gut aufgestellt, um von den zusätzlichen staatlichen Anreizen zu profitieren. Spie profitiere als ein führender europäischer Anbieter multitechnischer Dienstleistungen von seiner Präsenz in strukturellen Wachstumsbereichen und verfolge eine erfolgreiche Strategie aus organischem Wachstum und ergänzenden Akquisitionen.
Bilfinger bietet Dienstleistungen in verschiedenen Sektoren wie Energie und Chemie an und konzentriert sich vor allem auf Effizienz und Nachhaltigkeit in der Prozessindustrie. „Diese Unternehmen haben in den letzten Quartalen an Dynamik gewonnen und sind kleiner als ihre international ausgerichteten Mitbewerber. Die staatlichen Investitionen könnten zusammen mit einem umfassenderen Schutz vor der Volatilität des Welthandels dieser Gruppe von Unternehmen einen mehrjährigen Aufschwung bescheren“, sagt Barakos.
Konsum als zusätzlicher Wachstumsmotor
Die Situation der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher stärke die Argumente für inländische Aktien zusätzlich. „Während die europäischen Haushalte seit der Pandemie eine hohe Sparquote beibehalten konnten, haben US-Verbraucher einen Großteil ihrer Ersparnisse ausgegeben. Dies lässt angesichts der hohen Beschäftigungsquote, des Anstiegs der Reallöhne und der stabilen Inflation darauf schließen, dass sich europäische Verbraucher in einer soliden Lage befinden“, führt Barakos aus.
Die hohe Nachfrage der Anlegerinnen und Anleger nach europäischen Aktien spiegelt nach Meinung von Aktienmarktexperte Barakos den wachsenden Optimismus hinsichtlich der wirtschaftlichen Aussichten Europas wider. „Europa ist mit seiner strategischen Fiskal- und Geldpolitik in Verbindung mit der Konsumstärke gut aufgestellt, um die globalen Unsicherheiten zu meistern. Wir sind daher vom Potenzial für nachhaltiges Wachstum und Erträge auf dem europäischen Aktienmarkt weiterhin überzeugt", resümiert Michael Barakos.
Quelle: J.P. Morgan Asset Management