
Die  Inflation in der Eurozone nähert sich endlich dem Zwei-Prozent-Ziel der  Europäischen Zentralbank (EZB) an und gibt den Entscheidungsträgern den  Spielraum, den sie nach einem intensiven zweijährigen Kampf gegen den  Preisdruck gesucht haben. 
Die Gesamtinflation kam im September  auf 2,2 Prozent, während die Kerninflation ohne die volatilen  Komponenten Lebensmittel und Energie bei 2,3 Prozent stabil blieb, was  einen weiteren Fortschritt im Deinflationstrend der Region markiert. Mit  einer erwarteten Stabilisierung der Preisentwicklung bei 2,1 Prozent im  Jahr 2025 und einem Rückgang auf 1,7 Prozent im Jahr 2026 scheint die  EZB bereit, den Fokus von der Eindämmung der Inflation auf die  Aufrechterhaltung der Stabilität zu verlagern.
Diese  Übergangsphase wird voraussichtlich bei der Sitzung am Donnerstag klarer  werden, bei der weitgehend erwartet wird, die Zinsen zum dritten Mal in  Folge unverändert zu lassen. Nach acht Senkungen seit Mitte 2024 liegt  der Einlagensatz nun bei 2 Prozent. Dieser Wert wird allgemein als  neutral angesehen, weder restriktiv noch stimulierend. Die Märkte haben  eine verlängerte Pause fast vollständig eingepreist, wobei die nächste  mögliche Anpassung erst Ende 2025 oder sogar 2026 erfolgen könnte. Für  den Moment scheint die EZB zufrieden, dass die aktuelle Politik eine  solide Grundlage für Wachstum bietet, während die Preisstabilität  gewahrt bleibt.
Chefökonom Philip Lane hat kürzlich die  vorsichtige Haltung der EZB bekräftigt und betont, dass der EZB-Rat  „keine Vorfestlegung auf einen bestimmten Zinsverlauf“ trifft. Seiner  Ansicht nach haben sich die Finanzbedingungen „merklich weniger  restriktiv“ entwickelt, unterstützt durch niedrigere Kurzfristzinsen und  festere Aktienbewertungen, obwohl die jüngste Stärke des Euros diese  positiven Effekte teilweise ausgeglichen hat. Der Ton der Bank  signalisiert eine Vorliebe für Geduld, wobei die Entscheidungsträger die  verzögerten Effekte früherer Senkungen abwarten wollen, bevor weitere  Anpassungen in Betracht gezogen werden.
Während die Swap-Märkte  andeuten, dass der Lockerungszyklus im Wesentlichen abgeschlossen ist,  bleiben einige moderate Senkungen möglich, falls die Inflation unter den  Erwartungen liegt oder das Wachstum nachlässt. Umgekehrt könnte eine  schneller als erwartete Erholung oder eine neue Runde von Zöllen die EZB  zu einer Überprüfung ihrer Haltung veranlassen. Derzeit erscheinen  solche Szenarien jedoch fern. Unser Basisszenario sieht vor, dass die  EZB bei ihrer Sitzung am 30. Oktober die Zinsen unverändert lässt, wobei  die Eurozone einen seltenen Moment des Gleichgewichts zwischen Wachstum  und Inflation genießt.
Kurz gesagt: Die  Oktober-Sitzung der EZB wird die Botschaft verstärken, dass Europa  seinen monetären Sweet Spot erreicht hat: Inflation unter Kontrolle,  Leitzins neutral und kein unmittelbarer Grund für Bewegungen in eine  Richtung. Die Sitzung mag kein Feuerwerk bieten, aber nach Jahren  krisengetriebener Politik könnte „Langeweile“ genau das sein, was Europa  braucht.
