
Laut dem Stabschef der französischen Streitkräfte muss Frankreich im Konfliktfall darauf vorbereitet sein, „seine Kinder zu verlieren“. Diese Äußerung vom 20. November löste eine Schockwelle aus. Doch in gewisser, glücklicherweise weniger dramatischer Weise, verliert Frankreich schon jetzt seine Kinder, zumindest im Verhältnis zur übrigen Bevölkerung.
Denn die Geburtenzahl ist im Vergleich zu den Todesfällen rückläufig - in einem Ausmaß, dass die natürliche Bevölkerungsentwicklung Frankreichs über zwölf Monate im Mai 2025 erstmals seit 1945 negativ war. Die Prognosen des Institut national d’études démographiques (Nationales Institut für Bevölkerungsentwicklung) bestätigen diesen Trend: Die natürliche Bevölkerungsentwicklung dürfte ab 2027 strukturell negativ bleiben und zunehmend rückläufig sein.[1]
Ein globales Phänomen des Rückgangs
Frankreich ist kein Einzelfall. Japan verliert ohne Berücksichtigung der sehr geringen Einwanderung bereits fast eine Million Einwohner pro Jahr. In Europa führen Deutschland und Italien diesen Trauermarsch an. Ihre natürliche Bevölkerungsentwicklung ist bereits seit mehreren Jahren negativ. Nur durch Einwanderung können sie sich Jahr für Jahr über Wasser halten – doch wie lange noch? In Osteuropa und Russland sieht die natürliche Bevölkerungsentwicklung noch schlechter aus. Dabei sind Russlands Verluste an Menschenleben durch den Ukraine-Krieg, die auf mehrere Hunderttausend Personen geschätzt werden, noch nicht einmal berücksichtigt.
Unter den großen Industrieländern heben sich die USA ab. Nicht etwa durch ihre natürliche Bevölkerungsentwicklung, die sich ebenfalls markant verschlechtert und laut dem Congressional Budget Office ab 2031 den kritischen Bereich erreichen wird, sondern vielmehr durch ihre bislang höheren Einwanderungszahlen. Die US-Bevölkerung dürfte daher in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen, sofern die Einwanderungspolitik des Landes nicht restriktiver wird, wie es Donald Trump fordert. Das wäre eine große Belastung.
Wirtschaften unter Druck
Wie werden sich diese Länder mit rückläufiger Bevölkerungszahl wirtschaftlich entwickeln? Den Konsenserwartungen zufolge dürfte sich das vorsichtige Sparen zulasten von Investitionen verstärken. Produktivitätssteigerungen stehen unter Druck. Dasselbe gilt für die nationalen Haushalte, die durch steigende Ausgaben im Zusammenhang mit der Überalterung der Gesellschaft belastet werden. Doch der Umfang an steuerpflichtiger Arbeit verringert sich.
Strategien gegen den demografischen Wandel
Angesichts dieser unerbittlichen Entwicklungen haben sich insbesondere die Länder Nordeuropas und Japan für drastische Lösungen entschieden. Dazu zählen beispielsweise die stärkere Beschäftigung von Senioren, die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Weiterbeschäftigung nach dem Renteneintritt. Einwanderung wäre aus wirtschaftlicher Sicht eine Lösung, jedoch ist ihre gesellschaftliche und politische Akzeptanz fraglich. Vor diesem Hintergrund ist für das wirtschaftliche Überleben der Länder mit alternder Bevölkerung vor allem der Ersatz menschlicher Arbeit durch Technologien sowie das Abfangen von Reichtum, der durch in Ländern mit jüngerer Bevölkerung geleistete Arbeit entstanden ist, erforderlich. Im Idealfall wären Investitionen der Länder mit älterer Bevölkerung in Unternehmen der Länder mit jüngerer Bevölkerung für beide Seiten von Vorteil. Einerseits ermöglichen die durch die Arbeit der jüngeren Länder generierten Erträge den Einwohnern der älteren Länder, ihre finanzielle Situation zu verbessern. Andererseits bietet das investierte Kapital den produktiven Ländern die Gelegenheit, ihre eigene Wirtschaft weiterzuentwickeln. Werden diese Mittelflüsse allerdings schlecht gemanagt und sind die Bedingungen des Austausches unausgewogen, dann besteht die Gefahr, dass sich die Seniorenländer gegenüber den arbeitenden Ländern gewissermaßen vampirartig verhalten. Allerdings hat jeder Vampir ein Interesse daran, die Gesundheit seines Opfers zu erhalten, und das Opfer hält den Vampir in seiner Abhängigkeit.
Neue globale Kräfteverschiebungen
Die weltweite Verteilung der Arbeit wird mittelfristig zwangsläufig ins Rutschen geraten - ganz gleich, ob man diese tektonische Verschiebung akzeptiert oder nur erträgt. Es sieht zumindest so aus, als müssten Vermögenswerte von Ländern mit positiver Bevölkerungsentwicklung einen bedeutenderen Platz in den Portfolios von Ländern mit alter Bevölkerung einnehmen. Das wäre eine Überlebenshilfe für den bevorstehenden demografischen Winter.
[1] Population & Sociétés 2025/3 Nr. 631