Der Goldpreis erreicht neue Rekordhöhen. Dies spiegelt weit mehr als nur Marktvolatilität oder Spekulation: „Inmitten globaler Unsicherheiten und wachsender Zweifel am US-Dollar als Leitwährung wandelt sich Gold zunehmend vom Nischeninvestment zum zentralen Anker einer neuen geopolitischen Finanzordnung“, sagt Ufuk Boydak, Vorstandsvorsitzender der LOYS AG.
Im April 2025 überschritt der Goldpreis erstmals die Marke von 3.000 Euro pro Feinunze: ein Anstieg von rund 34 Prozent innerhalb eines Jahres. Wesentliche Treiber dieser Entwicklung sind nicht allein Inflation, Zinspolitik oder geopolitische Spannungen, sondern eine tektonische Verschiebung im internationalen Finanzsystem: „Das jahrzehntelang dominante Dollar-System verliert an Vertrauen – Gold tritt an seine Stelle“, so Boydak. „Wieder, muss man sagen, denn es wäre eine Rückkehr zu den Wurzeln des goldgedeckten Währungssystems.“
Zentralbanken weltweit haben diese Entwicklung mit angeschoben. „Bereits seit der Finanzkrise 2008 kaufen sie Gold“, sagt Boydak. „2024 lagen ihre Käufe zum dritten Mal in Folge bei mehr als 1.000 Tonnen pro Jahr.“ Der Trend wird getrieben von Schwellenländern wie China, Indien oder Russland, aber auch von den Golfstaaten. Die Motive sind dabei mehrschichtig: Gold kann nicht wie Dollar- oder Euro-Guthaben eingefroren werden, ist politisch neutral und bietet Schutz vor Sanktionen, Währungsabwertung und Kapitalmarktrisiken. „Insofern zeigt die wachsende Nachfrage, dass goldgedeckte Reserven aufgebaut werden, die diesen Staaten eine größere geldpolitische Unabhängigkeit verleiht“, sagt Boydak. „Das ist auch eine Antwort auf die gezielte Nutzung des US-Dollar als geopolitisches Machtinstrument.“ Und eine Rückkehr zur alten Golddeckung von Währungen.
Die starke Nachfrage sorgt für eine historische Entkopplung: „Trotz hoher Realzinsen steigt der Goldpreis weiter“, so Boydak. „Die klassische Logik – steigende Zinsen schwächen das nicht zinstragende Gold – greift nicht mehr.“ Stattdessen überlagern Misstrauen gegenüber Staatsanleihen, insbesondere US-Treasuries, und die Angst vor Stagflation die Zinskomponente. Gold wird als Anti-Dollar betrachtet, als stabile Alternative in einem instabilen System.
Besonders deutlich zeigt sich das neue Kräfteverhältnis in der detaillierteren Betrachtung der Nachfrageströme: So verzeichneten mit Gold hinterlegte ETFs 2022 und 2023 erhebliche Abflüsse. „Laut World Gold Council summierten sich die ETF-Abflüsse 2023 auf rund 244 Tonnen – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr“, so Boydak. „Vor allem im zweiten Halbjahr 2023 kam es zu starken Verkäufen, wodurch der ETF-Sektor das dritte Jahr in Folge netto Nachfrage aus dem Goldmarkt abzog.“ Da auch an den Terminmärkten keine außergewöhnliche Aufstockung spekulativer Positionen zu beobachten war, ist klar: Weder institutionelle Investorengelder im Westen noch spekulative Trader waren treibende Kraft der Rallye. „Während westliche Anleger lange abwarteten oder sogar Positionen abbauten, dominierten asiatische Märkte von Privatpersonen bis zur chinesischen Zentralbank mit massiven physischen Käufen“, sagt Boydak. Erst 2025 kehrte auch das westliche Investoreninteresse zurück: Allein im ersten Quartal stieg die weltweite Goldnachfrage auf 1.206 Tonnen und verzeichnete damit den höchsten Stand seit fast zehn Jahren.
Der anhaltende Höhenflug des Goldpreises ist somit nicht nur Ausdruck aktueller Krisen, sondern ein Signal für den Übergang in eine multipolare Wirtschaftsordnung mit Gold als Rückgrat einer neuen finanziellen Souveränität aufstrebender Staaten. „Und es ist ein deutliches Zeichen für ein nachlassendes Vertrauen in die Stabilität von US-Dollar und Treasuries“, sagt Boydak. „Solange diese Unsicherheit anhält, gibt es keinen Anlass, eine erneute Trendwende zu vermuten.“