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Industriepolitik im Wandel – von global zu lokal



Ausgehend von den USA zeigt sich aktuell ein grundlegender Kurswechsel in der nationalen Industriepolitik vieler Länder, nämlich die stärkere Fokussierung auf die heimische Produktion. Dazu gehören unter anderem Subventionen, lokale Produktionsvorgaben und der Aufbau strategischer Reserven. 

Die Vereinigten Staaten sind unter Donald Trump zum Vorreiter geworden, mit einer ganzen Flut an Zöllen, „Buy American“-Klauseln und milliardenschweren Förderprogrammen für Chips und Batterien. Übergeordnet geht es einerseits um das „nationale Ego“, andererseits allerdings auch um den Versuch, die Verlierer des Globalismus etwas zu kompensieren. Dazu kommen Aspekte wie Sicherheit, stabiles Angebot und Kontrolle über wichtige Technologien. Zu starke Abhängigkeiten werden vor dem Hintergrund der hohen geopolitischen Unsicherheit mittlerweile als problematisch erachtet.

Kritische Marktbeobachter sehen in dieser Entwicklung eine Abkehr von der Globalisierung, mit möglichen Folgen wie höheren Preisen und weniger Wettbewerb. Doch diese Sichtweise könnte zu kurz greifen. Denn im Kern geht es um die Frage, ob den Ländern interne Stabilität oder höhere Effizienz durch eine globale Industriepolitik wichtiger ist.

Lange Zeit galt das Prinzip, dass alle profitieren, wenn jedes Land das produziert, was es am besten kann. Das so genannte Ricardo-Modell beschreibt damit einen großen Vorteil des internationalen Handels. Doch funktioniert dieses Modell nur unter bestimmten Bedingungen, wozu stabile Lieferketten gehören und keine geopolitischen Störungen. Doch genau diese Voraussetzungen scheinen nicht mehr gegeben.

Die Corona-Pandemie, geopolitische Konflikte und zwischenzeitliche Engpässe bei Energie, Chips und Medikamenten haben gezeigt, wie verletzlich globale Lieferketten sein können. Deshalb greifen viele Regierungen wieder stärker in die globalen Märkte ein, mit gezielten Förderungen und dem Aufbau lokaler Kapazitäten. Dieser Trend nimmt zunehmend auch in Europa und Asien Fahrt auf.

Mit dem Aufbau eigener Strukturen versuchen sich die Länder gegen Störungen im internationalen Handel zu versichern. Das kostet zwar zunächst Geld, etwa durch höhere Produktionskosten oder doppelte Strukturen. Aber im Ernstfall könnte ein Schutz vor größeren Schäden bestehen, die oft unterschätzt sind, bis sie Realität werden. Johannes Müller, Globaler Leiter Research der DWS Group, bringt es auf den Punkt: „Die Märkte haben lange unterschätzt, wie stark geopolitische Risiken und strategische Engpässe die wirtschaftliche Architektur verändern können – wir erleben eine Neubewertung von Stabilität als Standortfaktor.“

Natürlich birgt eine solche Industriepolitik auch Risiken. Wenn sie zu stark oder zu einseitig betrieben wird, kann sie Wettbewerb hemmen und Innovationen bremsen. Entscheidend ist daher die richtige Dosierung – gezielt, zeitlich begrenzt und im Idealfall auch international abgestimmt.

Die zentrale Frage lautet nicht: Globalisierung – ja oder nein? Sondern: Wie viel Resilienz brauchen wir, und wie viel Effizienz sind wir bereit dafür aufzugeben? Eine moderate Deglobalisierung kann sogar Vorteile bringen, etwa durch mehr regionale Produktion, kürzere Lieferwege und höhere Umweltstandards. Und sie kann helfen, die Akzeptanz offener Märkte zu stärken, weil sie Ängste vor Abhängigkeiten reduziert.

Zwischen dem Ideal der freien Märkte und deren realen Herausforderungen besteht durchaus Spielraum. Wer ihn klug nutzt, könnte zukünftig besser aufgestellt sein.

 

Veröffentlicht am: 09.11.2025

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