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Montag, 29. April 2024
   
 

In China bricht eine neue Ära an

... von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE



Saola, der heftigste Taifun, der die Metropolregion des Perlflussdeltas mit Ballungszentren wie Hongkong, Guangzhou und Shenzhen seit Jahrzehnten heimgesucht hat, ist nicht der einzige Sturm, der aktuell in China wütet. Ein zweiter Taifun, der viel stärker ist, aber langsamer voranschreitet, macht dem Land seit zwei Jahren zu schaffen. Dabei handelt es sich um das Abschwellen der Immobilienblase.

Taifun auf dem Immobilienmarkt


Die Coronazeit konnte nur vorübergehend die Anfälligkeit des chinesischen Immobiliensektors verschleiern. Dieser Sektor steht für 30 % des BIP oder zwei Drittel des Vermögens der privaten Haushalte, und die Krise, die er durchmacht, spitzt sich immer weiter zu. Die ersten Alarmsignale waren 2021 wahrnehmbar, als es bei Evergrande, einem der größten Immobilienentwickler des Landes, zu ersten Zahlungsausfällen kam. Anfang 2023 schien sich die Lage beruhigt zu haben: Die wirtschaftliche Erholung im Zuge der Wiederöffnung des Landes und der moderatere Tonfall der Behörden in Bezug auf Mietimmobilien ließen eine Genesung vermuten. Doch der Einbruch der Verkäufe und der Wohnungspreise setzte sich noch vehementer fort. Nach vorläufigen von der China Real Estate Information Corporation veröffentlichten Daten sind die Verkäufe neuer Wohnungen durch die 100 größten Immobilienunternehmen im August 2023 gegenüber dem Vorjahr um 33,9 % zurückgegangen. Immobilieninvestitionen verzeichnen einen Rückgang um 8,5 % im Vergleich zum Vorjahr, was das BIP-Wachstum einen Prozentpunkt kosten könnte. Die Konsensschätzung von Bloomberg geht im Übrigen nur noch von einem Wachstum von 5,1 % über das Jahr aus, was kaum noch dem von den Behörden im Mai formulierten Ziel von 5,7 % entspricht. Evergrande hat jüngst in den USA Gläubigerschutz beantragt. Währenddessen drohen erste Zahlungsausfälle bei Country Garden, dem größten chinesischen Immobilienentwickler. Die Zukunft des Unternehmens ist ungewiss, auch wenn es nicht von den Behörden fallen gelassen werden sollte.

Späte und sparsame Unterstützungsmaßnahmen

Allerdings wurden neue Unterstützungsmaßnahmen angekündigt. Erst jüngst wurde den Banken auferlegt, die Zinsen auf Immobiliendarlehen zu senken. Die Vorschriften bezüglich der Mindestreserven in Fremdwährungen wurden gelockert und die Anzahlungen im Rahmen von Immobilieninvestitionen wurden gesenkt.

Dies dürfte einen völligen Zusammenbruch des Marktes verhindern, aber die Behörden reagieren spät und die Maßnahmen sind eher sparsam. Was bedeutet diese Zurückhaltung? Ist sie auf einen Mangel an Mitteln zurückzuführen, oder handelt es sich im Gegenteil um ein Zeichen politischer Weisheit? Möglicherweise geht es um die Vermeidung übermäßiger Anreize, ein Relikt der früheren Politik, die letztendlich zu der nun platzenden Blase geführt hat.

Begrenzte Mittel oder langfristige Strategie?

Zur Erklärung tragen sicher beide Aspekte bei. Die chinesischen Mittel für Konjunkturmaßnahmen sind heute tatsächlich begrenzt aufgrund der phänomenalen Anhäufung von Schulden seit der Finanzkrise von 2008, die in China wie auch anderswo unter Aufnahme massiver Schulden bekämpft wurde. Die Gesamtverschuldung des Landes – nicht nur der Zentralregierung – ist dadurch von 160 % vom BIP im Jahr 2008 auf 360 % im Jahr 2022 angestiegen[1]. Die ohnehin schon hohe Belastung darf sich also nicht deutlich weiter steigern, insbesondere zu einer Zeit, in der die Inflation gleich null oder sogar negativ ist. In diesem Bereich gibt es jedoch keine Gewissheit. Man kann daher auch die Hypothese aufstellen, dass die Entscheidung Xi Jinpings, die Verschuldung nicht übermäßig zu erhöhen, mit einem langfristigen Ziel zusammenhängt. Dieses Ziel wäre eine Stabilisierung der öffentlichen Finanzen, vor allem auf lokaler Ebene, für die eine schwere Immobilienkrise bis kurz vor einem Zusammenbruch des Systems in Kauf genommen wird. Die chinesischen Banken, die anscheinend mit ausreichend Kapital ausgestattet sind, dürften laut einer Analyse von Société Générale in der Lage sein, eine solche Krise zu meistern. Eine gewagte Entscheidung der obersten Führung, aber letztendlich vielleicht heilsam, zumindest für jemanden, der offenbar eine Wiederwahl im Jahr 2027 anstrebt.

Gewinnausfall für die Weltkonjunktur, aber nicht nur …

Bei alldem sollten die Konsequenzen für die Weltwirtschaft nicht außer Acht gelassen werden. Ein China, dessen Bevölkerung schrumpft und dessen Wachstum in den kommenden Jahren strukturell unter fünf, vier oder gar drei Prozent fiele, würde einen Gewinnausfall für die Weltkonjunktur bedeuten. Dies gilt insbesondere für die westlichen Industrien, die auf die chinesischen Verbraucher bauen, sowie für die Käufe ausländischer Anleihen durch China, die es dem Westen in erheblichem Maße mit ermöglicht haben, sich zu verschulden.

Die Folgen dieses weitgehend geräuschlosen Finanztaifuns haben sich noch nicht voll entfaltet. Doch sie sind nicht alle negativ. Ein weniger schillerndes China kann als weniger gefährlicher Mitbewerber gegenüber der amerikanischen Vorherrschaft wahrgenommen werden, was die Konfrontation zwischen beiden Ländern abmildern könnte. Dies könnte auch dazu beitragen, dass sich die Welt stärker auf konkrete Herausforderungen wie den Übergang zu einer weniger CO2-intensiven Wirtschaft konzentriert, für die China mehr Anstrengungen als einige andere Länder unternimmt.

Der Taifun auf dem chinesischen Immobilienmarkt wird somit nicht nur Ruinen hinterlassen, sondern auch Möglichkeiten für eine neue Ära des Wachstums schaffen.

 

Veröffentlicht am: 06.09.2023

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