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Sonntag, 28. April 2024
   
 

Mumm Briefing zum Wochenausklang

... von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL



Die globale Konjunkturdynamik bleibt vorerst schwach, vor allem aufgrund einer ausgeprägten Nachfrageschwäche in der Industrie. Zwar überraschten die Auftragseingänge für die deutsche Industrie im Mai – mit einem Plus in Höhe von 6,4 Prozent – im Vergleich zum Vormonat positiv, allerdings wurden diese vor allem von Großaufträgen im Bereich „sonstiger Fahrzeugbau“ (u.a. Schiffe, Schienen- und Militärfahrzeuge) angetrieben.


Demgegenüber verdeutlicht der Einbruch von 15 Prozent im Vergleich zum Vormonat im Segment der Herstellung von elektronischen Ausrüstungen, dass die breite Nachfrage (abgesehen von Sondereffekten) weiterhin schwach ist. Entsprechend gab die Industrieproduktion im Mai um 0,2 Prozent leicht nach.

Für die exportorientierte Industrie Deutschlands mangelt es derzeit vor allem an der Nachfrage aus China. So fielen Chinas Importe im Juni im Vergleich zum Vorjahr um 6,8 Prozent, während die Exporte Chinas sogar um 12,4 Prozent nachgaben. Die chinesische Volkswirtschaft wird damit vorerst nur bedingt die erhoffte Funktion als globale Konjunkturlokomotive einnehmen können. Allerdings dürfte sich die Wirtschaft in den kommenden Monaten sukzessive stabilisieren, nachdem sowohl geld- als auch fiskalpolitisch bereits Stützungsmaßnahmen implementiert wurden. Durch die Belebung des Wachstums soll auch eine Deflation verhindert werden, denn die Inflationsrate Chinas ist zuletzt auf 0 Prozent gesunken.

Gestützt wird die globale Konjunkturdynamik weiterhin durch eine relativ hohe Nachfrage nach konsumnahen Dienstleistungen. Auch wenn jüngste Daten aus Deutschland eine leichte Abkühlung am Arbeitsmarkt anzeigen, bleibt eine hohe Beschäftigung eine der Stützen des privaten Konsums. In Deutschland wurden für Juni saisonbereinigt zwar 28.000 Arbeitslose mehr registriert als im Vormonat, allerdings rangiert die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse mit 45,88 Millionen weiterhin deutlich höher als im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert bei 5,5 Prozent. In den USA hingegen sank die Arbeitslosenquote sogar auf 3,6 Prozent, wenn auch die Anzahl der offenen Stellen leicht auf 9,8 Millionen und die der neu geschaffenen Stellen in der Privatwirtschaft außerhalb der Landwirtschaft auf 149.000 nachgaben.

Ein stabilisierender Effekt geht in den USA zunehmend von fiskalischen Stützungsmaßnahmen aus, bspw. dem Inflation Reduction Act und damit zusammenhängend der subventionierten Ansiedlung neuer Produktionsstätten. Als Anzeichen dafür kann die zuletzt erkennbare Stabilisierung der Bauausgaben interpretiert werden. Zwar steigen diese derzeit insgesamt nicht mehr an, allerdings ist – anders als in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 – und trotz deutlich gestiegener Zinsen noch keine Kontraktion der gesamten Bauausgaben erkennbar. Dabei werden geringere Ausgaben im Bereich Wohnen durch gestiegene Ausgaben im Bereich industrieller Bauvorhaben kompensiert. Die Wahrscheinlichkeit einer tiefen Rezession der US-Wirtschaft in den kommenden Monaten wird dadurch gesenkt. Zudem kamen aufgrund der auf 3,0 Prozent gesunkenen Inflationsrate im Juni erneut Hoffnungen auf, die US-Notenbank Fed könnte nach einer wahrscheinlichen Zinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte Ende Juli schon am Jahresanfang 2024 die Leitzinsen wieder senken. Angesichts der nach wie vor hohen Kerninflationsrate – ohne die Komponenten Energie und Nahrungsmittel – in Höhe von 4,8 Prozent dürfte die Fed aber wohl weiter darauf hinweisen, dass man datenabhängig das weitere geldpolitische Vorgehen festlegen werde. Trotzdem bleibt eine Zinserhöhungspause nach dem bevorstehenden Zinsschritt ein wahrscheinliches Szenario.

Auch die EZB dürfte Ende Juli die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte anheben und auf den anhaltend zu hohen Inflationsdruck verweisen. Allerdings wird die Inflationsrate auch in der Eurozone in den kommenden Monaten weiter sinken, wenn auch weniger schnell als im ersten Halbjahr, denn der Preis-Basis-Effekt durch den Vergleich der aktuellen Rohölpreise mit den Höchstständen des Vorjahressommers nimmt sukzessive ab. Vor dem Hintergrund der globalen Nachfrageschwäche in der Industrie sind allerdings stärker als erwartet nachgebende Teuerungsraten im Verlauf des zweiten Halbjahres nicht unwahrscheinlich. Demzufolge ist vonseiten der EZB nach dem Juli-Zinsentscheid nur noch mit maximal einem weiteren Zinserhöhungsschritt zu rechnen.

Aus deutscher Sicht und auf die langfristige Perspektive ausgerichtet, ist es derzeit besonders dringlich, dem zuletzt beschleunigten Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu begegnen. Verschiedene Erhebungen zeigten zuletzt an, dass vor allem hohe Kosten (Lohnneben- und Energiekosten sowie Steuern), langwierige und komplexe Bürokratie sowie ein zunehmender Fachkräftemangel und teils unzureichende Infrastruktur den Standort Deutschland schwächen. Auch deswegen ist der Saldo aus in Deutschland investiertem ausländischen Kapital und aus Deutschland im Ausland investierten Kapital im Jahr 2022 mit 132 Mrd. US-Dollar deutlich negativ ausgefallen. Hinzu kommt, dass eine aktuelle Umfrage unter ausländischen Arbeitskräften (Expats) verdeutlicht, dass Deutschland erheblich an Attraktivität verloren hat. Damit ist die notwendige Stoßrichtung klar:  Deutschland kann künftig nur als Hochtechnologiestandort mit verlässlichen Rahmenbedingungen, einer effizienten Verwaltung und hoher Attraktivität für Menschen und Kapital aus dem Ausland ausreichend wettbewerbsfähig sein. An dieser Zielsetzung sollten sich sowohl die Politik, aber auch Unternehmen und die Gesellschaft orientieren und die notwendigen Weichen entsprechend stellen.

Die Initiative für ein neues Einwanderungsgesetz der Bundesregierung sowie die Formulierung der China-Strategie der Bundesregierung sind erste richtige Schritte auf diesem Weg. Es geht neben der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts auch darum, trotz protektionistischer Tendenzen und dem Umbau von globalen Lieferketten zur Reduzierung von Abhängigkeiten weiterhin den globalen Freihandel zu fördern. Als rohstoffarme und exportorientierte Volkswirtschaft wird Deutschland nur in einem Umfeld funktionierender internationaler Kooperation wirtschaftlich erfolgreich bleiben, zumal die Globalisierung der letzten Jahrzehnte gesamtwirtschaftlich sowohl in Industrie- als auch in Schwellenländern erheblichen Wohlstand gebracht hat.

 

Veröffentlicht am: 15.07.2023

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