In seinen ersten 100 Tagen im Amt hat Donald Trump eine Reihe wilder politischer Kehrtwendungen inszeniert, die die Märkte verunsichert und ein Klima der Unsicherheit geschaffen haben. Indem er jegliches Gefühl der Normalität auslöscht, bedroht der Präsident den Ruf Amerikas als vertrauenswürdige Anlagemöglichkeit und schwächt sogar die Attraktivität von US-Staatsanleihen als sicherer Hafen. Investoren müssen sicher sein, um sich auf diesem neuen Markt zurechtzufinden.
Am Tag nach der Wiederwahl von Donald Trump war klar: Es ist vorbei mit der Normalität. Man weiß nie, wie es sein wird. Zudem hat sich sein Umfeld verändert. Während seiner ersten Amtszeit verließ er sich noch auf die Republikaner alten Stils. Jetzt, wo ihm Leute wie Elon Musk und Peter Navarro ins Ohr flüstern, wird ihn nichts mehr aufhalten.
Politische Unsicherheit führt zu höheren Risikoprämien
Einige Anleger klammerten sich während des Wahlkampfs und in den ersten Tagen nach der Wahl an die Hoffnung auf eine handelsfreundliche Trump-Agenda und rechneten mit niedrigeren Steuern und weniger Regulierung. Es war verlockend, an die amerikanische Ausnahmestellung zu glauben. Doch als die Zölle kamen, waren viele gezwungen, ihre Position neu zu bewerten.
Seit dem „Liberation Day“ haben die Märkte begonnen, das Risiko einer unberechenbaren Politik einzupreisen. Eine der Stärken der amerikanischen Wirtschaft in den letzten 30 Jahren war ihre Stabilität, ohne große politische Veränderungen. Jetzt ist die Ausnahmestellung der USA zu Ende.
Der US-Dollar fiel im April auf den niedrigsten Stand seit 2022[1], und Gold hat seit Jahresbeginn fast 25 % zugelegt. Dieses Ausmaß an Unsicherheit ist neu für den amerikanischen Markt. In der Vergangenheit war die Politik des Landes relativ stabil, geschützt durch das System der gegenseitigen Kontrolle. Trumps Flut von Durchführungsverordnungen, seine Bereitschaft, den Kongress zu umgehen, und seine Angriffe auf die Federal Reserve haben alles riskanter gemacht.
Das Dilemma der Investoren: reagieren oder nichts tun
Trumps Rückkehr hat die Arbeit im Portfoliomanagement ungemein erschwert. Langfristig wollen wir die Positionen auf der Grundlage der Rentabilität und der potenziellen Auswirkungen der Zölle in den kommenden Jahren neu analysieren. Kurzfristig wird eine aussagekräftige Analyse unmöglich, da sich die Politik stündlich ändern kann. Wir können nur Vermutungen anstellen – und Vermutungen reichen nicht aus, um fundierte Anlageentscheidungen zu treffen.
Vor einigen Monaten befanden wir uns noch in einem Bullenmarkt, in dem die Anleger dem Motto „buy the dip“ folgten. Doch die steigenden Risikoprämien auf US-Anlagen haben die Marktstimmung verändert. Wir befinden uns jetzt in einem Bärenmarktszenario, in dem die Denkweise lautet: „sell the rip“.
Der S&P 500 hat in den letzten Wochen mehrere Versuche unternommen, die 5.400er-Marke zu durchbrechen. Heute legen wir diese Marke als neue Obergrenze fest. Und da die größten Erholungen in Bärenmärkten stattfinden, ist mein Rat ganz einfach: Seien Sie nicht verrückt, sondern sehr vorsichtig.
Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten
Ein komplexes Investitionsumfeld ist für Investoren nach wie vor interessant, zumal die Zölle einigen Unternehmen zu attraktiveren Preisen verhelfen.
Microsoft zum Beispiel wird von den Zöllen nicht wirklich betroffen sein. Auch Amazon bleibt langfristig gesehen eine Chance: Etwa die Hälfte seiner Verkäufer sind Chinesen[2], aber seine Weltklasse-Logistikkompetenz und sein Netzwerk werden es Amazon ermöglichen, langfristig Marktanteile zu gewinnen.
Industrieunternehmen dagegen stehen unter unmittelbarem Druck, ihre Kosten zu senken, was sich langfristig auf ihre Rentabilität auswirken könnte.
Abschwächung der Wachstumserwartungen
Seit Januar hat Donald Trump die „Versuchsballon“-Strategie angewandt und missbraucht: Er kündigt eine neue, radikale Politik an, beobachtet die Reaktion und entscheidet dann, was er tun will. Wir haben das bei den Zöllen gesehen, die jetzt für drei Monate ausgesetzt wurden, und bei seinen Angriffen auf Jerome Powell, den Präsidenten der Fed, der angesichts der Gegenreaktion einen Rückzieher machte.
In den nächsten Monaten werden die Märkte anspruchsvoller werden und lernen, echte Politik von Ablenkungen zu unterscheiden. Trump ist ein Meister der Ablenkung, und die Anleger werden erkennen, dass sie einen Schritt zurücktreten und nicht auf jede Schlagzeile reagieren müssen. Sein erster Schritt ist selten der endgültige Schritt.
Die Unternehmen werden ihre Investitionsausgaben zurückstellen müssen, und Investoren werden die Auswirkungen auf das US-Wachstum berücksichtigen müssen, um ihre Erwartungen an das amerikanische Wachstum und damit auch an das weltweite Wachstum zu dämpfen.
Donald Trump sollte nicht wörtlich genommen werden, aber er muss ernst genommen werden. Investoren müssen sich auf vier Jahre voller Durchführungsverordnungen einstellen – ein Umfeld, das reich an potenziellen Chancen ist, in dem aber auch Vorsicht geboten sein wird.
[1] U.S. dollar falls to three-year low as Trump’s Powell threats further dent investor confidence, CNBC
[2] Chinese sellers on Amazon to hike prices or exit US as tariffs soar, Reuters