Künstliche Intelligenz (KI) übernimmt immer mehr Routinearbeiten in der Finanzbranche und macht damit etablierte Kompetenzprofile überflüssig. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Beschäftigten, die Systeme nicht nur bedienen, sondern kritisch hinterfragen. „Wir stehen am Beginn eines Wandels, welche Typen in der Finanzwelt gefragt sind und Erfolg haben“, sagt Stephan Blohm, Verwaltungsrat beim Finanzdienstleister securities.lu.
KI ersetzt keine Menschen – sie verändert, wen man braucht. Wo früher spezialisierte Fachkräfte unersetzlich waren, sind heute Generalisten gefragt, die komplexe Abläufe überblicken, Muster erkennen und Unregelmäßigkeiten (auf)spüren. „Man braucht Leute mit einem kritischen Störgefühl“, sagt Blohm. „Generalisten, die erkennen, wenn etwas nicht stimmt – und nicht einfach das durchwinken, was der Computer ausspuckt.“
Der Prozess, Fonds oder Compartments aufzusetzen, verändert sich bereits. Gefüttert mit den strukturiert abgefragten Anforderungen des Kunden an ein neues Finanzprodukt und mit Marktdaten im Hintergrund werden Computer in Kürze Aufgaben erledigen, die bisher mehrere Beschäftigte ausgeführt haben. KI-Systeme werden sogar die zur Fehlervermeidung und Qualitätssicherung etablierten Kontrollen im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips übernehmen. „Ein Mitarbeiter wird hier künftig nur noch mit gesundem Menschenverstand Stichproben ziehen und auf Plausibilität prüfen“, so Blohm.
Auch beim Überwachen der Marktbewegungen geht das Aufgabenprofil weg von einer akribischen, auf Details fokussierten Arbeitsweise. Große Mengen an Zahlen kann der Computer ohnehin viel effektiver in kürzester Zeit verarbeiten als der Mensch. Künstliche Intelligenz wird zudem immer besser darin, aus ausgewerteten Daten vollständig ausformulierte Berichte zu erstellen. Aufgabe eines Beschäftigten wird auch bei Marktbeobachtungen und Analysen verstärkt das Infragestellen sein: beispielsweise ob es denn sein kann, dass ausgerechnet nach dem Hexensabbat ein bestimmtes Compartment stark zulegt.
„Als kritischer Begleiter bleibt der Mensch unersetzlich, denn menschliche Intuition kann KI bisher nicht ersetzen“, sagt Blohm. Das Bauchgefühl könne natürlich täuschen – aber es sorge dafür, dass jemand überhaupt noch mal hinschaue. Für Beschäftigte in der Finanzbranche bedeutet der Wandel: Experten, die vor allem tiefes Fachwissen und Fokussierung auf Daten und Zahlen mitbringen, sind künftig weniger gefragt. Wichtiger wird die Fähigkeit, Muster zu deuten, Systeme zu verstehen und Verantwortung zu übernehmen. „Erfolgreich werden die sein, die nicht nur arbeiten, sondern mitdenken und den Mut haben, im richtigen Moment die Stimme zu erheben“, so Blohm.
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