Der chinesische Aktienmarkt zieht seit Ende 2024 wieder verstärkt internationale Anleger an. Können die Ankündigung Donald Trumps, zusätzliche Zölle auf chinesische Produkte zu erheben, und der darauffolgende Überbietungswettbewerb zwischen China und den USA diese wiedergewonnene Dynamik bremsen?
Intakte Innovationskraft trotz Hindernissen
Seit der Präsentation von DeepSeek, einer generativen KI, die zu geringeren Kosten Leistungen bietet, die mit denen von ChatGPT (Open AI) vergleichbar sind, wird das Potenzial Chinas anders eingeschätzt. Weitere bedeutende Innovationen wurden vorgestellt, beispielsweise das System zur ultraschnellen Wiederaufladung von Elektroautobatterien von BYD oder die Verabschiedung eines ehrgeizigen Programms zur Erforschung des Weltraums. Diese Erfolge sind die Früchte unablässiger Investitionen in Forschung und Entwicklung: Zwischen 2011 und 2022 verdreifachten sich die diesbezüglichen Ausgaben auf nahezu 811 Milliarden US-Dollar[1]. Mittlerweile kommt beinahe die Hälfte aller globalen Patentanmeldungen aus China. Dank dieser Leistungen konnte sich das Land als globaler Spitzenreiter in mehreren strategischen Sektoren etablieren.
Strategie zwischen Anpassung und Autonomie
Nachdem der Markt durch DeepSeek gestützt wurde und im März Niveaus erreichte, die zuletzt 2022 verzeichnet worden waren, löste der wieder aufgeflammte Handelskrieg schließlich eine Korrektur aus.
Doch China verfügt über die Mittel, um standhaft zu bleiben. Das Land verfolgt seit einigen Jahren eine Strategie zur Stärkung der autarken Versorgung, insbesondere in den Sektoren Technologien und Energie, und zur Rückverlagerung seiner Produktionsstätten an Standorte in der Nähe der Endmärkte. China könnte sich darüber hinaus wieder stärker der Binnenwirtschaft zuwenden. Seit 2024 werden Konjunkturmaßnahmen umgesetzt, um den Konsum anzuregen und die nach wie vor verhaltene Verbraucherstimmung zu verbessern, damit die während der Pandemie angehäuften, umfangreichen Ersparnisse endlich freigesetzt werden. Zu erwähnen ist auch die Annäherung an den Privatsektor, der aktuell nach wie vor der wichtigste Arbeitgeber im Land ist.
Aktienmärkte haben geopolitische Risiken eingepreist
Was die Bewertung betrifft, wird der chinesische Aktienmarkt derzeit mit rund dem 10,7-Fachen der Gewinne gehandelt, was unter seinem historischen Durchschnitt liegt. Manche Marktteilnehmer halten einen „geopolitischen Abschlag“ für erforderlich. Trotz dieses Risikos sind wir von der Innovationskraft Chinas überzeugt. Überdies sind die Unternehmen weiterhin in der Lage, weltweit Markanteile hinzuzugewinnen, was eine Neubewertung des Markts rechtfertigt. Im Gegensatz zu der im September letzten Jahres verzeichneten Rally, die durch die Erwartung von Konjunkturmaßnahmen ausgelöst wurde, basierte die Aufwärtsbewegung zum Jahresbeginn auf neuen positiven Unternehmensdaten und der für Zuversicht sorgenden neuen Haltung von Präsident Xi Jinping gegenüber dem Privatsektor. Die Märkte legen seitdem ihren Fokus stärker auf die Innovationskraft der chinesischen Unternehmen als auf die makroökonomischen Herausforderungen, die unseres Erachtens bereits in den Kursen eingepreist sind.
Letztlich sorgt das aktuelle, durch Handelsspannungen geprägte Umfeld nicht nur für Volatilität, sondern lässt auch die Frage nach dem Ende des sogenannten amerikanischen Exzeptionalismus aufkommen, was für eine größere Diversifizierung der Aktienportfolios spricht. Dies dürfte wiederum China zugutekommen, das derzeit in den Portfolios der globalen Anleger unterdurchschnittlich vertreten ist.