Die alte Weltordnung zerfällt. Ausgehend von den USA, die nicht mehr deeskalierender Weltpolizist oder Schiedsrichter sein wollen, sondern neue Maßstäbe in der Eskalation setzen, werden Krisen schneller zu Konflikten, Konflikte schneller zu offenen Kriegen. Eine Eskalation jagt die nächste und ein Ende ist nicht in Sicht. „Für Anleger eine schwierige Zeit – und eine neue Realität“, sagt Thorsten Fischer, Managing Director und Head of Portfolio Management bei Moventum AM.
Die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten markieren einen dramatischen Wendepunkt. Israel hat den Punkt ohne Wiederkehr im iranischen Atomprogramm erreicht gesehen und eine massive Luftoffensive gegen iranische Atomanlagen und führende Wissenschaftler gestartet. Die gezielten Tötungen mehrerer ranghoher Persönlichkeiten haben das ohnehin fragile Gleichgewicht zum Einsturz gebracht. Der Iran reagierte sofort und schickte Drohnen zur Vergeltung.
„Inmitten dieses geopolitischen Bebens geraten auch die Märkte ins Schlingern“, so Fischer: Der Ölpreis schoss zeitweise um 14 Prozent in die Höhe, der stärkste Anstieg an einem Tag seit mehr als fünf Jahren. Gold legte auf 3.450 US-Dollar zu, während Aktien und Kryptowährungen unter Druck geraten. Und gerade der Ölpreis ist ein wichtiger Indikator: Sollte er über 100 US-Dollar steigen und sich dort dauerhaft halten, drohen ein Inflationsschub und ein Kurswechsel in der Zinspolitik. „Zinssenkungen könnten sich verzögern oder ganz ausfallen – mit spürbaren Folgen für Wirtschaft, Kreditmärkte und Anlegerstrategien“, sagt Fischer.
Und so muss man als Anleger feststellen: Die Welt ist in den Dauerkrisenmodus übergegangen. „In diesem Umfeld gilt die Regel: Kapital erhalten hat Priorität. Chancen zu nutzen, ist zweitrangig“, so Fischer.
Was bedeutet das konkret?
1. Diversifikation: Übergewichtungen in bestimmten Regionen – etwa in den USA oder im Nahen Osten – sollten kritisch überprüft werden. Eine breite Streuung über Assetklassen und Länder ist essenziell.
2. Zinsentwicklung: Wenn der Ölpreis die Inflation antreibt, könnten Zinssenkungen später oder gar nicht kommen. Das beeinflusst Wachstumsaktien negativ, während Banken und Value-Aktien ein mögliches Aufwärtspotenzial bieten.
3. Inflationssensible Anlagen: Gold, Rohstoffe, Energie-Aktien und inflationsindexierte Anleihen gewinnen in solchen Zeiten an Bedeutung – sie können ein Portfolio stabilisieren, wenn andere Märkte schwanken.
4. Verhalten: Nicht jede Schlagzeile rechtfertigt Aktionismus. Wer nüchtern und datenbasiert agiert, fährt besser als der, der in Panik reagiert.
5. Langfristige Strategie: Geopolitische Schocks verändern kurzfristig die Perspektive, aber selten die fundamentalen langfristigen Marktmechanismen. Wer eine tragfähige Strategie verfolgt, wer langfristig investiert, sollte jetzt eher ein Rebalancing als hektische Umschichtungen betreiben.
„In jedem Fall aber sind die Zeiten der klaren Ordnung vorbei“, sagt Fischer. Es gelte, in einer multipolaren, instabilen Welt zu navigieren. „Um in dieser neuen Realität zu bestehen, braucht es langfristiges Denken, datenbasiertes und kühles Handeln, ein robustes Portfolio – und den Mut, auf Substanz statt auf Spekulation zu setzen.“