
Der  demografische Wandel stellt das deutsche Rentensystem auf eine harte  Probe. Immer mehr ältere Menschen beziehen immer länger Rente, während  immer weniger junge Arbeitnehmer Beiträge einzahlen. Während in den  1950er Jahren noch sechs Personen im erwerbsfähigen Alter auf eine  Person im Rentenalter kamen, waren es 2020 nur noch drei. 
Bis  2050 wird sich diese Zahl voraussichtlich auf etwa zwei Personen pro  Rentner reduzieren. Da in den kommenden Jahren verstärkt die  geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre in den Ruhestand treten,  während die nachfolgenden Kohorten wesentlich dünner sind, gerät das  System der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich unter Druck.  
 
In  diesem Jahr werden die Rentenausgaben einschließlich der  Krankenversicherung für Rentner voraussichtlich knapp 400 Milliarden  Euro betragen. In vier Jahren werden diese Kosten voraussichtlich  bereits auf etwa 475 Milliarden Euro steigen. Getragen werden diese  Kosten zum einen durch den Beitragssatz zur gesetzlichen  Rentenversicherung, der derzeit 18,6 Prozent des Bruttolohns beträgt und  zur einen Hälfte vom Arbeitnehmer und zur anderen vom Arbeitgeber  bezahlt wird. Dieser Beitragssatz reicht allerdings bei weitem nicht  mehr aus, um die Kosten für die Renten zu decken. Eine Anhebung des  Beitragssatzes zur Finanzierung der stetig steigenden Ausgaben würde die  Lohnkosten in Deutschland erhöhen. Dies möchte die Bundesregierung  verhindern, sodass die immer größer werdende Lücke zwischen Einnahmen  und Ausgaben im Rentensystem durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt  geschlossen werden muss. Die Zuschüsse an die Rentenversicherung sind  mittlerweile mit Abstand der größte Einzelposten im Bundeshaushalt.  Dieses Jahr werden sie sich auf etwa 123 Milliarden Euro belaufen. Das  ist etwa doppelt so viel, wie für die Verteidigung ausgegeben wird, und  entspricht etwa einem Viertel des Gesamthaushalts. In den kommenden  Jahren und Jahrzehnten werden die Kosten weiter steigen.  
 
Um  den Kollaps des Rentensystems zu vermeiden, sind umfassende Reformen  vonnöten. Anstrengungen wie die Frauenerwerbstätigkeit zu steigern oder  die Migration in den deutschen Arbeitsmarkt zu erhöhen, sind hilfreich,  die Effekte sind aber bei weitem nicht ausreichend. Notwendig wäre, dass  die Bundesregierung zeitnah ein ganzes Bündel an Maßnahmen auf den Weg  bringt, denn je länger gewartet wird, desto tiefgreifender und  schmerzhafter werden die nötigen Veränderungen, um das Ruder noch  herumzureißen. Ein fundamentaler Baustein für eine nachhaltige  Rentenreform wäre es, die Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung zu  koppeln. Die Anpassung wäre graduell: Alle zehn Jahre würde sich die  Lebensarbeitszeit um etwa ein halbes Jahr erhöhen. Eine solche Maßnahme  würde gleichzeitig die Einnahmeseite stärken als auch die Ausgaben  verringern. Um eine Kostenexplosion zu vermeiden, wäre es zudem  notwendig, die Rentensteigerungen in der Zukunft zu dämpfen. Derzeit  orientieren sich die Rentenanpassungen fast vollständig an der  Lohnentwicklung. Sinnvoller wäre eine Anpassung anhand der  Inflationsentwicklung, die im Normalfall etwas unterhalb der  Lohnentwicklung liegt. Die Renten würden weiterhin im Einklang mit der  Preisentwicklung steigen und die Kaufkraft bliebe erhalten. Derzeit  plant die Bundesregierung jedoch, das Rentenniveau bis 2031 bei 48  Prozent festzuschreiben. Das Rentenniveau ist eine hypothetische Größe,  die angibt, welche Rente eine Person erhalten würde, wenn sie 45 Jahre  lang das Durchschnittsgehalt verdient hätte. Ein Rentenniveau von 48  Prozent bedeutet, dass diese statistische Durchschnittsperson 48 Prozent  des aktuellen Durchschnittslohns erhalten würde. Dies impliziert, dass  die Rente in den kommenden Jahren nicht nur an die Inflation angepasst  werden müsste, sondern im Einklang mit den Löhnen steigen muss, um das  Rentenniveau beizubehalten. Dies bläht die Ausgabenseite auf, während  die Regierung auf der anderen Seite zudem verspricht, dass der  Beitragssatz zur Rentenversicherung in den kommenden Jahren nicht über  20 Prozent steigen darf. Stark steigende Ausgaben bei begrenzten  zusätzlichen Einnahmen implizieren, dass zukünftig noch größere  Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt nötig sein werden. Die sogenannte  doppelte Haltelinie (Rentenniveau 48 Prozent und Beitragssatz maximal 20  Prozent) würde nach Schätzungen dazu führen, dass im Jahr 2050 knapp  die Hälfte des Bundeshaushaltes für die Rente aufgewendet werden  müsste. 
 
Zusätzlich kostensteigend wird sich die von der  Regierung versprochene Ausweitung der Mütterrente auswirken, die mit  jährlichen Mehrausgaben in Höhe von etwa fünf Milliarden Euro zu Buche  schlagen wird. Auch den Nachhaltigkeitsfaktor auszusetzen, der ein  zentraler Bestandteil der Rentenformel ist und eine gerechtere  Verteilung der Belastung zwischen den Generationen sicherstellen soll,  ist ein Schritt in die falsche Richtung. Positiver zu bewerten ist  hingegen die Frühstart-Rente, welche ein erster Schritt ist, die  Alterssicherung mit einer privaten Komponente auf eine breitere Basis zu  stellen. Auch der Plan, dass Rentner zukünftig 2.000 Euro pro Monat  steuerfrei dazuverdienen können, ist prinzipiell zu begrüßen. Die Idee  ist, dass durch diese sogenannte „Aktiv-Rente“ mehr Personen nach  Erreichen des Renteneintrittsalters weiterarbeiten, um dem  Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Auch die Rentenkasse könnte eine  leichte Entlastung erfahren, da der Arbeitgeber für diese Angestellten  weiterhin Beiträge zur Rentenversicherung abführt. Zu beachten gilt hier  aber auch, dass auch jetzt schon rund 230.000 Personen im Rentenalter  sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Für diese Personen ist  die Aktivrente ein Steuergeschenk. Ob sich diese Einnahmeausfälle des  Bundes durch Personen, die durch die Aktivrente motiviert werden, eine  Arbeit aufzunehmen, ausgleichen, wird sich erst mit der Zeit zeigen. 
 
Zusammenfassend  ist zu sagen, dass die Reform des Rentensystems aus  wirt-schaftswissenschaftlicher Sicht eine der dringendsten Baustellen in  der Bundesrepublik ist. Es geht dabei nicht nur um  Generationengerechtigkeit, sondern auch darum, dass steigende  Lohnnebenkosten oder Steuern, die ohne Reformen unvermeidlich sind, das  zukünftige Wirtschaftswachstum in Deutschland belasten werden. Eine  Rentenreform ist also auch ein zentraler Aspekt, um den  Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Es ist höchste Zeit, diese  Reformen umzusetzen. Je länger das Handeln verschoben wird, desto  drastischer und schmerzhafter werden die notwendigen Änderungen. Die  Lösungsansätze liegen seitens der Wissenschaft schon lange auf dem  Tisch, jetzt ist es an der Regierung, zu handeln.