Mit der Einführung des Deutschen Aktienindex DAX am 01. Juli 1988 hat die Frankfurter Wertpapierbörse für etwas gesorgt, was heutzutage Gamechanger genannt wird. Sie ersetzte mit dem Start des neuen Index nicht nur die bisherigen Börsenindikatoren – in Deutschland waren bis dato die Index-Konstrukte von Börsen-Zeitung und FAZ führend.
Mit der Einbindung computergestützter Kursanzeigen ermöglichte die Börse zudem erstmals, ein zusammengefasstes Kursbarometer deutscher Blue Chips schon im Minutentakt zu berechnen. Ein Novum mit Strahlkraft auch auf andere Bereiche der Finanzindustrie: Wichtige erste börsengehandelte Derivate wie Futures und Optionskontrakte an der Deutsche Termin Börse (DTB, seit Januar 1990) benötigten ein klar umrissenes und fungibles Aktienindex-Produkt für Anlagebedarfe, Kurspflege und Arbitrage – und das haben sie mit dem DAX.
Gerade für Investoren wurde mit der DAX-Einführung eine neue Ära eingeläutet: Seine besondere Ausgestaltung erfolgte auf Basis moderner Kapitalmarktforschung – die Stichworte sind hier unter anderem Diversifikation, Marktmodell, systematisches und spezifisches Risiko, CAPM und Alpha wie Beta – und mithin auch als Antwort auf neue Fragen in der Asset Allocation professioneller Kapitalanleger. Als Total Return Index, der per 01.01.1988 auf Kurswert 1.000 normiert wurde, ermöglicht der DAX zudem einfache und transparente Performance- und Risiko-Betrachtungen durch Einbeziehung von Kapitalmaßnahmen und Dividenden-Investitionen, wodurch er als echte und weit verbreitete Benchmark für hinreichend diversifizierte Deutschland-Marktportfolios taugte. Kurzum: Vor 35 Jahren wurde der Grundstein für den modernen Finanzplatz Deutschland gelegt, indem der Kapitalmarkt auf ein neues Level gehoben wurde.
In den Folgejahren setzte sich die Entwicklung fort: Kursanzeigen und Indexberechnungen erfolgten dank zunehmender Digitalisierung immer akkurater und schneller. Der elektronische Handel ermöglichte zudem mehr Liquidität im zugrundeliegenden Marktportfolio, etwa durch Index Tracking und Index Arbitrage. Im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vollzog sich der Wandel vom amtlichen Handel an regionalen Präsenzbörsen hin zu elektronischen Märkten und neuen Betätigungsfeldern für Finanzprofis.
Der klassische Handelssaal alter Prägung ist heute im Grunde nur Kulisse für Besucher die TV-Sender. Der Börsenhandel braucht sowas schon lange nicht mehr. Der läuft seit vielen Jahren volldigital unsichtbar und megaschnell. Innovative Technologiedienstleister ermöglichen Banken und Finanzprofis heutzutage, in einem einheitlichen elektronischen Handelssystem am elektronischen Trading an verschiedenen Börsen, MTFs (Multilateral Trading Facilities) und Broker-Plattformen teilzunehmen, die entstehenden Positionen und inhärenten Risiken zu überwachen und verschiedenste, auch regulatorische Anforderungen ans Reporting zu bewältigen.
Dreieinhalb Jahrzehnte nach seiner Einführung, gehen die Bedarfe weit über den ursprünglichen DAX hinaus: Die Globalisierung in Real- und Finanzwirtschaft erfordert international optimierte Marktportfolios mit zugeschnittenen Index-Produkten. Es entstehen immer mehr Sub-Indizes, um eine Branchenfokussierung oder die Berücksichtigung von ESG-Kriterien abzudecken. Auch wenn für Finanzanlagen in Deutschland der DAX weiterhin der führende Leitindex und damit das Maß der Dinge für den deutschen Aktienmarkt ist – seine Bedeutung geht weit über die Funktion eines Spiegelbilds der Befindlichkeiten deutscher Börsianer hinaus.