Wenn Gärtner und Taxifahrer eine Meinung zu einem Börsenthema haben, ist die Milchmädchen-Hausse nicht weit. Oder etwas wissenschaftlicher: Laut Behavioral Finance kommt es zum Herdentrieb, bei dem alle in dieselbe Richtung laufen. „Das heißt für Investoren immer, sich rechtzeitig in die andere Richtung zu orientieren“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH.
„Derzeit sind sich alle einig: Trump schadet der US-Börse und Europa ist der neue Performance-Bringer. Doch das ist falsch.“
Der amerikanische Aktienmarkt hat die gesamte Zollkrise bereits v-förmig abgehakt und die anfänglichen Panikverluste komplett aufgeholt. „Donald Trump hat Volatilität produziert, aber keine wirtschaftliche Krise“, sagt Bente. „Denn das hatten alle erwartet: wirtschaftliche Katastrophen.“ Das Gegenteil aber ist eingetreten. Der US-Wirtschaft geht es unverändert gut, den US-Aktienmärkten genau wie in Trumps erster Amtszeit auch. Diese hatte sich trotz gleich gelagerter Bedenken als eines der besten Aktienmarktumfelder der gesamten US-Geschichte herausgestellt.
Ähnlich könnte es auch dieses Mal ausgehen: „Von der Investment-Community bis zu den Gärtnern sind sich momentan alle einig, dass wegen Trump die USA der schlechteste Investitionsmarkt sind“, so Bente. Europa sei angeblich auch wegen seiner schuldenfinanzierten Konjunktur- und Rüstungspakete wesentlich besser. „Long Europa, Short USA, das ist derzeit der absolute Konsens-Trade.“
Doch in der Regel war es immer dann, wenn ein Trade besonderer Konsens war, dringend an der Zeit, sich über das Gegenteil Gedanken zu machen. „Natürlich lassen sich aus dem Herdentrieb stammende Gewinne mitnehmen“, sagt Bente. „Aber dann sollte man überlegen, wo die Musik in den kommenden Jahren spielen wird.“ Die Begründung, dass Trump das Kernproblem ist und man deswegen nicht in den USA investieren oder seine Investments abbauen sollte, hat sich schon in Trumps erster Amtszeit als falsch erwiesen. „Und genau das könnte sich jetzt wiederholen, weil dieses negative Sentiment gegen die USA eigentlich immer der beste Nährboden ist“, so Bente.
Vor allem auch, weil aus europäischer Sicht vieles übertrieben wird, was in den USA geschieht. „Vom Gärtner bis zum Milchmädchen macht sich der Konsens breit, dass Trump das Böse ist“, sagt Bente. „Doch die Welt ist nun einmal vielschichtig und selbst irritierendes Vorgehen sorgt nicht automatisch für Abstürze der Wirtschaft und der Börse.“
Zumal ein Umschichten Richtung Europa auch wirtschaftlich wenig Sinn ergäbe: „Die guten Aussichten Europas werden damit begründet, dass große Schuldenpakete zur Aufrüstung und auch ein wenig zur Infrastruktur aufgelegt wurden und mehr Geld auch immer mehr Wachstum bedeutet“, sagt Bente. „Das stimmt auch, doch nur Infrastrukturinvestitionen bringen eine Volkswirtschaft wirklich voran, weil sie positive Effekte in der gesamten Wirtschaft zeitigen.“ Panzer und Kampfflugzeuge dagegen sind keine echten Investitionen, denn sie werden bestenfalls gelagert, schlimmstenfalls auf Schlachtfeldern zerstört.
Die USA stellen dies auch unter Trump geschickter an: „Hier werden große Summen in wirkliche Zukunftsfelder wie etwa KI investiert, die eine ganze Volkswirtschaft antreiben können und werden“, sagt Bente. „Denn mit der künstlichen Intelligenz erleben wir nicht nur einen weiteren Technologietrend, sondern die nächste industrielle Revolution.“ Nur wer hier rechtzeitig und marktführend positioniert ist, wird für seine Volkswirtschaft die Wachstumspotenziale für die nächste Dekade erschließen. „Und hier sind die Europäer den Amerikanern hoffnungslos unterlegen“, so Bente. Ein Grund mehr, nicht mit der Herde zu laufen, die USA nicht als Investitionsstandort abzuschreiben und einseitig auf Europa zu setzen.